Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KISSED

KISSED

Titel: KISSED Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ALEX FLINN
Vom Netzwerk:
mache den Reißverschluss an meinem Rucksack auf und ziehe den Umhang heraus. »Bleib bei mir, Harry«, flüstere ich.
    »Nein«, flüstert der Schwan. »Es ist Zeit für meinen Schwanengesang. Rette dich selbst. Lauf!«
    Die Reifen des Motorrads drehen sich kreischend im Kreis. Ich fummle mit dem Umhang herum und wickle ihn schließlich um uns beide. »Halt durch, Junge! Sing noch nicht!« Ich klammere mich an den Schwan und fühle dabei seine glatten, weißen Federn und das warme, klebrige Blut. Ich höre das Motorrad erneut aufheulen, wieder rast es mit einem Luftzug auf mich zu.
    Ich wünschte, ich wäre wieder im Hotel , denke ich.
    Und dann – ein Blitz.

15
    Zuerst bemerke ich Geräusche. Hupen. Menschen schreien. Wellen brechen sich am Strand. Das Knistern von Neonlicht. Ich bin in South Beach. In einem Umhang. Und ich halte einen blutenden Schwan in den Armen, der früher mal ein Mensch war.
    Ich hebe den Kopf, um zu sehen, ob uns irgendjemand beobachtet, aber nein. Es ist die übliche Selbstvergessenheit von South Beach, die Lichter und der Alkohol machen die Menschen zu Zombies. Ich ziehe den Umhang aus und verstecke ihn in meinem Rucksack, dann schaue ich auf Harry hinunter.
    Er blinzelt mich an. »Wie … wie kommen wir hierher?«
    »Psst.« Ich werfe einen Blick auf den Fleck, der sich auf seiner schneeweißen Brust ausbreitet. »Wir sind eben hier. Ich werde Hilfe holen.«
    »Aber …« Er bewegt seinen Schnabel, doch es kommt kein Ton heraus.
    »Merk dir, was du gerade gedacht hast«, sage ich. »Stirb mir jetzt nicht weg.«
    Ich renne los, in die leere Lobby. Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass dieser Typ als Schwan sterben könnte. Noch mehr Sorgen mache ich mir darüber, dass er sich nach seinem Tod in einen Menschen zurückverwandeln könnte.
    Der Nachtportier ist weg. Ich schaue nach links, dann nach rechts, aber ich sehe niemanden.
    »Hilfe!«, brülle ich. »Da draußen! Jemand hat einen Schwan erschossen!«
    Ich renne auf meinen Laden zu, um 911 anzurufen und ihnen zu sagen … ja, was eigentlich? Ich erwarte eigentlich nicht, jemanden zu sehen, aber dann treffe ich auf Meg. Sie erfasst mit einem Blick mein aufgelöstes Gesicht und mein blutverschmiertes T-Shirt. »Was ist los?«
    »Draußen auf der Collins. Jemand hat auf einen Schwan geschossen!« Ich kann ihr nicht erklären, dass es kein Schwan ist, sondern ein Mensch. »Ruf neun-eins-eins an.«
    Ich mache mich auf den Weg zurück in die Lobby und vertraue darauf, dass sie anruft. Aber Meg legt ihre Hand auf meinen Arm und hält mich auf. »Du rufst an. Ich werde zu dem Verletzten… verletzten Tier gehen … Ich bin nicht so durcheinander wie du.« Sie schiebt mich beiseite und schießt an mir vorbei.
    Ich bleibe allein zurück, allein mit dem unglaublichen Wissen, dass jemand auf mich geschossen hat. Jemand, der wusste, dass ich am Hafen war und warum ich da war. Jemand, der verhindern möchte, dass ich Prinz Philippe finde, und zwar so sehr, dass er dafür töten würde.
    Als ich in die Lobby zurückkomme, sind die Schwäne wach und blicken aus dem Fenster. Als sie mich sehen, wuseln sie um mich herum und reden alle auf einmal. Ich drängle mich durch sie hindurch und zur Tür hinaus. Meg hält Harry in den Armen, und einen Augenblick lang bin ich mir sicher, dass er tot ist. Doch dann hebt er den Kopf und starrt mich an. Meg drückt ein Geschirrtuch auf dieWunde, aber auf der Straße ist noch immer eine rote Pfütze. Ich höre eine Sirene. Heulend verstummt sie. Dann rennende Schritte.
    »Wo ist das Opfer?« Es ist ein Sanitäter.
    Ich deute auf Harry. Der Typ schaut Meg an. »Sind Sie verletzt, Miss?«
    »Nicht sie«, sage ich. »Der Vogel.«
    »Ein Schwan? Ich mache keine Wiederbelebung bei Vögeln. Ich bin ausgebildeter Rettungssanitäter. Vielleicht ruft ihr besser die Typen aus dieser Tierrettungs-Fernsehshow an.«
    »Aber er stirbt!«
    »Eigentlich geht es ihm ganz gut.« Meg entfernt das Geschirrtuch von der Brust des Schwanes, und ich sehe, dass der Blutfleck auf seinen weißen Federn kleiner zu sein scheint, kaum mehr als ein Kratzer. »Nur eine Fleischwunde.«
    »Aber … der Fleck war vorhin größer.« Ich glotze erst ihn an, dann Meg.
    »Ich habe eine Druckkompresse gemacht.« Zu dem Sanitäter sagt Meg: »Schauen Sie mal, das blutet immer noch. Könnten Sie mir vielleicht etwas Mull oder so geben, damit ich ihn in ein Taxi setzen und in die Tierklinik bringen kann? Der Hotelmanager mag diese Schwäne

Weitere Kostenlose Bücher