KISSED
davonhopsen. Aber ich will nicht, dass mich Sieglinde zurück in ihr Verlies steckt, deshalb sage ich: »Könnten wir vielleicht in das andere Zimmer gehen? Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass ich durchs Fenster gesehen werde.«
»Klar. Vollkommen in Ordnung.«
Sobald wir im Wohnzimmer angekommen sind und Caroline die Vorhänge zugezogen hat, zeigt sie mir, was sie da in der Hand hat.
Hemden aus Blumen.
Wie Margarita gesagt hat. Ihre Schwester müsste sie finden und Hemden aus Blumen weben! Sie hat es gemacht. Sie wusste es.
»Nachdem die Schwäne fort waren«, sagt Caroline,»ging mein Vater auf eine lange Reise. Er nahm mich mit. Ich wusste, dass er nach den Schwänen suchte, aber er fand sie nicht und kehrte verzweifelt nach Hause zurück. In jenem Sommer hat er sich mit mir hingesetzt. Ich war noch klein, aber er sagte mir, ich müsste mir merken, was er sagte.«
»Und zwar?« Aber ich weiß es schon.
»Dass ich eines Tages die Schwäne wiederfinden müsste.Davor müsste ich aber aus Blumen sechs Hemden anfertigen, um sie ihnen zu geben. Wenn ich das täte, würde der Fluch gebrochen. Er hat mir nie gesagt, worin der Fluch bestand.
Bald danach starb er. Die Hemden habe ich erst gemacht, als ich erwachsen war. Da wusste ich schon, dass mein Dad plemplem war, dass ich niemals wieder einen Schwan in Key West sehen würde. Trotzdem hatte ich das Gefühl, sie ihm zu Ehren herstellen zu müssen.«
»Er war nicht verrückt.« Ich untersuche die Hemden. Sie bestehen aus Bougainvillea und Hibiskus. Die Blumen haben ihre Farbe so ziemlich behalten, und ich erinnere mich daran, dass meine Mutter immer Blumen getrocknet und sie mit der Blüte nach unten aufgehängt hat. »Durch die Hemden werden sie wieder menschlich. Aber sie müssen von Ihnen sein.«
»Wenn man an Hexen und Magie glaubt«, sagt Caroline.
»Oh, es gibt ’exen, meine Dame«, unterbricht Philippe, und wir drehen uns alle zu ihm um. »’exen sind immer dort, wo man sie am wenigsten erwartet. Wie Sie ’abe isch nischt daran geglaubt, aber isch war in den letzten Wochen ein Frosch, bis meine kleine Grackel hier …« – er dreht sich um, um Meg anzuschauen – »… meine kleine Krähe misch wieder zu einem Menschen gemacht ’at.«
Bitte lass mich diesem Typen eine reinhauen. Bitte. Nur dieses eine Mal. Aber ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, nach Hause zu kommen. Und mein Versprechenkann ich auch halten. Zumindest das ist gut. »Wenn Sie uns zurück nach Miami bringen, zeige ich Ihnen, wo die Schwäne sind.«
Caroline sieht den Prinzen an, dann mich, und zuckt mit den Achseln. »Ich schätze, es kann nicht schaden, wenn ich mich darauf einlasse, aber …« Sie mustert den Prinzen von oben bis unten. Ich ebenfalls. Er muss wohl gerade Reiten gewesen sein, als er verzaubert wurde. Entweder das oder er ist ein blöder Angeber, denn er trägt Reithosen und eine rote Reitjacke und hat eine Reitgerte dabei. »Aber will er das anbehalten?«
41
… und wie sie davon berührt wurden, fielen die Schwanenhäute ab, und ihre Brüder standen leibhaftig vor ihr und waren frisch und schön.
~~~ Die sechs Schwäne ~~~
Zwei Stunden später sitzen wir im Auto. Der Prinz ist unter lautstarkem Protest dazu überredet worden, eine alte Jeans, ein T-Shirt mit der Aufschrift I’m a drinker, not a fighter und ein Paar Flipflops zu tragen. Er und Meg haben sich auf den Rücksitz von Carolines uraltem Toyota Tercel gezwängt und knutschen herum. Ich sitze mit Caroline vorne und habe einige der Blumenhemden auf dem Schoß die nicht mehr in den Kofferraum gepasst haben.
»Beweg dich nicht so viel«, sagt Caroline. »Die sind empfindlich.«
Wenn ich mich nicht bewegen darf, dann kann ich mich wenigstens nicht zu Meg und Philippe umdrehen. Sie mag diesen Typen tatsächlich? Zwischen den Küssen nennt er sie »meine süße kleine Schildkröte«, »mein winziger Molch« und »mein niedlischer Komodowaran«. Mir fällt auf, dass er keine süßen Tiere auswählt, aber vielleicht hat er während seiner Zeit als Frosch eine Schwäche für Reptilien und Amphibien entwickelt. Meg kichert alle paar Minuten auf eine Art und Weise, die überhaupt nicht zu ihr passt. Ich frage Caroline, ob ich das Radio anmachen darf, um es zu übertönen, aber jedes Mal wenn ein romantisches Lied kommt, bezeichnet Meg es als »unser Lied«, bis ich auf Rap umschalte. Es ist, als würde sie das alles mit Absicht machen, um mich zu quälen. Außer dass sie nicht weiß, dass sie mich damit
Weitere Kostenlose Bücher