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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Glücksgefühlen ist er längst nicht mehr fähig. Aber er hat schon lange nicht mehr so viel innere Ruhe verspürt.
    Und obwohl er lange genug gelebt hat, um zu wissen, dass dieses Gefühl nicht ewig dauern wird, dass es vergeht und stirbt wie alles auf dieser Welt, die sich im Niedergang befindet, so weiß er doch aus Erfahrung, dass man es genießen muss, solange es anhält.
    Dass man gänzlich und ohne Reue für den Augenblick leben muss.
    Er hofft, dass er Jack das beibringen kann.
    Selbst wenn es Jahre dauert.

Jack
    Ich tippte den Code ein.
    Ein grünes Licht blinkte.
    Ein Riegel schnappte mit einem Klicken zurück.
    Den Lärm, der aus dem Gebäude drang, konnte man selbst durch die geschlossene Tür laut und deutlich hören. Als ich sie nun öffnete, klang er ohrenbetäubend.
    Ich dachte mir, dass es vielleicht keine besonders gute Idee war hineinzugehen, und hielt auf der Schwelle inne. Aber Luther schrie mir ins Ohr, ich solle weitergehen. Inzwischen hatte ich keine Angst mehr, dass er mich erschießen würde. Die Vorstellung, dass jemand auf mich schoss, war zwar schrecklich, aber Luther hatte zu viel Zeit und Mühe investiert, um mich zu töten, bevor ich all die Dinge sah, die er mir zeigen wollte.
    Allerdings zweifelte ich nicht im Geringsten daran, dass er meinen Freunden etwas antun würde.
    Kaum war ich eingetreten, fiel auch schon die Tür hinter mir ins Schloss. Ich zitterte.
    Es war stockfinster und eiskalt.
    Der Wind heulte.
    Eisiger Regen schlug mir ins Gesicht.
    Ich war mitten in einen Blizzard geraten – und das, obwohl ich mich in einem Gebäude befand.
    Ich drehte mich um und versuchte verzweifelt, den Ausgang zu finden. Schon jetzt hatte ich die Orientierung verloren. Als ich gegen eine Wand stieß, tastete ich nach der Tür und fand sie auch. Aber innen hatte sie keinen Griff.
    Ich saß in der Falle! Die Erkenntnis versetzte mich in klaustrophobische Panik.
    Der Lärm schwoll noch mehr an und der Wind blies stärker.
    Plötzlich hörte ich Stöhnen. Ich war nicht allein hier drin.
    Ich atmete tief und langsam und zwang mich dazu, ruhig zu bleiben. Jetzt durfte ich auf keinen Fall den Kopf und die Nerven verlieren.
    In einiger Entfernung blitzte ein Stroboskop – ein blaues Licht, das alle paar Sekunden zuckte wie Elektrizität in einer Wolke.
    In seinem Schein sah ich vor mir eine wirbelnde Nebelwand.
    Was zum Teufel ging hier vor? Wie viel Geld hatte er ausgegeben, um das hier zu bauen – was auch immer
das hier
war? Im Laufe der Jahre hatte ich mit jeder Menge Monstren zu tun gehabt, die ihre kranken Fantasien in die Tat umgesetzt hatten. Aber Luthers Fantasien waren jenseits von Gut und Böse. Der Kerl hatte sein eigenes psychopathisches Disneyland errichtet.
    Ich hielt mir den linken Arm vors Gesicht und kämpfte gegen den Sturm an.
    Das Ganze erinnerte mich an die schlimmsten Winterstürme in Chicago – die paar Male, in denen ich bei starkem Schneetreiben und eiskaltem Wind nach draußen musste und nicht mal zwei Meter weit sehen konnte.
    Ich musste wohl fünfzig oder sechzig Schritte in der Lagehalle zurückgelegt haben – so genau hatte ich nicht gezählt –, als mich plötzlich Hände an der Schulter packten.
    Ich schrie und sprang zurück, aber sie ließen mich nicht los. Kalte und nasse Finger gruben sich in meine Windjacke.
    Im Schein des Stroboskops sah ich eine Frau in grellbuntem Nachthemd und mit gestylter Frisur. Sie sah aus wie jemand, der auf einen Maskenball wollte. Tränen und der eisige Regenhatten das Make-up auf ihrem hageren und bleichen Gesicht verschmiert.
    »Helfen Sie mir!«
    Sie trug ein Lederhalsband mit Kette. Und an der wiederum hing ein Metallkästchen.
    »Wo geht es hier raus?«, schrie ich, um das Rauschen des Windes zu übertönen.
    »Holen Sie mich raus!«
    »Das versuche ich ja! Sie müssen mir sagen …«
    »Er wird uns umbringen!«
    »Wie viele Leute sind hier drinnen?«
    »Vier! Im Käfig ist ein Girlie!«
    Ich trat näher an sie heran und sah eine Tafel mit eingravierter Inschrift um ihre Brust hängen. Um die Buchstaben hatte sich Raureif gebildet.
    ZWEITER KREIS: LUST
    Man muss die Tatsache akzeptieren, dass Gefahr zumindest
einen Teil des REIZES beim Sex ausmacht.
Die Gefahr, überwältigt zu werden.
    Da ich alle Bücher von Camille Paglia gelesen hatte, wusste ich, dass das Zitat von ihr stammte. Ich verstand nur nicht, was Luther mir damit sagen wollte.
    »Wie heißen Sie?«, schrie ich der Frau entgegen.
    »Patricia

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