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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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bisherige Leben auf diesen endgültigen, schrecklichen Augenblick hinauslief.
    Aber Herb ging tief in sich und nahm seinen ganzen Mut zusammen – einen Mut, von dem er selbst nicht geglaubt hätte, dass er in ihm steckte.
    Anstatt sich vor seinem Schicksal zu fürchten, nahm Herb es hin. Mit Würde und innerer Stärke.
    Jetzt blieb ihm nur noch, Abschied zu nehmen.
    »Jack …«
    »VERDAMMT NOCH MAL, LUTHER! TUN SIE DAS NICHT!«
    »Jack! Hör mir zu!«
    »LUTHER!«
    »JACK!«
    Er spürte, wie sie seine Hand nahm und sie festhielt. »Herb, es tut mir so leid …«
    »Sch. Du kannst nichts dafür.«
    »Herb …«
    Er bemühte sich um ein Lächeln. »Das sind meine letzten Worte, nicht deine. Lass mich reden.«
    Sie umarmte ihn. Er erwiderte die Geste kurz, dann schob er sie weg, aus Angst, die Explosion würde sie in Mitleidenschaft ziehen.
    Seine Unterlippe zitterte, aber trotzdem brachte er ein Lächeln zustande.
    »Jacqueline Daniels, ich kann mich noch an den Tag erinnern, als wir uns das erste Mal begegnet sind, in der Rechtsmedizin, vor all den Jahren. Ich glaube, ich wusste bereits damals, was für eine tolle Polizistin du warst. Es war mir wirklich die größte Ehre meines Lebens, mit dir zusammenzuarbeiten. Du warst die beste Freundin, die ich je hatte. Ich hoffe, dass du dich eines Tages selbst so hoch einschätzt, wie ich es tue. In meinem ganzen Leben ist mir noch niemand begegnet, der so selbstlos, so mutig und so loyal war wie du.«
    »Herb …«
    »Du wirst das hier überstehen, Jack, da bin ich mir sicher. Und wenn du hier rauskommst, sag bitte meiner Frau, dass ich mit meinen letzten Gedanken bei ihr war und dass meine Liebe zu ihr meine letzten Minuten auf dieser Welt versüßt hat.«
    Jack stieß einen Schluchzer aus. Und dann sagte sie etwas, mit dem Herb nicht gerechnet hatte.
    »Nein.«
    Herb verzog das Gesicht. »Nein? Soll das ein Witz sein?«
    »Du kannst es ihr selbst sagen«, sagte Jack. »Weil du heute verdammt noch mal nicht sterben wirst.«
    Dann schlang Jack ihre Arme um seine Schultern und presste ihren Hals an seinen.

Luther
    Er blickt grimmig drein.
    Der heroische Monolog, den Herb gerade zum Besten gegeben hat, war rührend und hat Jack anscheinend tief beeindruckt.
    Aber sie gehorcht immer noch nicht.
    Stattdessen tut sie etwas, mit dem Luther nicht gerechnet hat. Etwas, das für ihn schlicht und einfach unannehmbar ist.
    Solange Jack wie eine Klette an Herb hängt, kann er unmöglich das Halsband explodieren lassen. Die Sprengladung geht zwar nach innen los, aber die Gefahr, dass sie dabei verletzt oder getötet wird, ist zu groß.
    »Herb, ich sprenge Ihr Halsband in fünf Sekunden. Wenn Jack Ihnen wirklich etwas bedeutet, sollten Sie sie wegstoßen. Fünf … vier … drei …«
    Luther sieht zu, wie Herb versucht, Jack wegzuschubsen.
    Sie stößt dem Dicken ein Knie in die Eier. Er strauchelt zur Seite, aber sie hält sich immer noch an ihm fest.
    »Wollen Sie ewig an ihm hängen bleiben?«, fragt Luther ins Mikrofon.
    Jack antwortet nicht.
    Luther atmet zischend aus. Er freut sich zwar darüber, dass Jack endlich begriffen hat, was ihr ihre Freunde wert sind, aber diese Nummer, die sie da abzieht, bringt sein ganzes Unternehmen zum Stillstand. Natürlich könnte er einfach abwarten, bis sie einschläft, vor Erschöpfung umfällt oder eine Eklampsie erleidet. Oder er könnte das BZ-Gas, das er noch übrig hat,zum Einsatz bringen, obwohl er es eigentlich für einen anderen Zweck aufgehoben hat.
    Aber das sind keine idealen Lösungen. Luther will endlich die nächste Phase in Angriff nehmen. Der Gedanke, stundenlang warten zu müssen, gefällt ihm ganz und gar nicht.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Jack«, sagt er. »Ich gebe Ihnen den Schlüssel für das Halsband, aber dafür müssen Sie meine Anweisungen befolgen.«
    »Vergessen Sie’s!«, schreit sie.
    Luther ist überrascht. »Dann lasse ich Sie beide für ein paar Tage hier.«
    »Das werden Sie nicht. Ich könnte ja sterben. Wir wissen beide, dass Sie das nicht wollen.«
    »Was wollen Sie dann von mir? Ihnen dürfte doch wohl klar sein, dass ich Sie nicht einfach gehen lasse.«
    »Ich will den Schlüssel für das Halsband und Ihr Ehrenwort, dass Sie ihn nicht töten.«
    Luther denkt darüber nach. Natürlich könnte er sie anlügen und Herb dann doch umbringen. Aber wenn Jack zu einem Kompromiss bereit ist, zeigt das ihre Willfährigkeit.
    Und Willfährigkeit ist der erste Schritt zur Demut.
    Außerdem

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