Kite
Selbst wenn Ihr Roman zehnmal besser wäre, wäre er immer noch grottenschlecht, unverkäuflich und reine Zeitverschwendung. Ich empfehle Ihnen die Lektüre meines Buches
Wie verkaufe ich mein Manuskript
. Wenn Sie damit fertig sind, sollten Sie es noch einmal versuchen. Aber machen Sie zunächst Ihren Highschool-Abschluss nach. Ich hoffe, Englisch ist nicht Ihre Muttersprache.
Cynthia lächelte. Bissig und witzig, aber wahr. Den Tausenden Möchtegern-Autoren, die ihren Blog regelmäßig lasen, würde es gefallen. Dann kopierte sie die nächste E-Mail in ihren Blog: eine dumme Frage, die zeigte, dass der Schreiber keine Ahnung hatte. Es ging darum, ob selbst verlegte E-Books für Autoren eine machbare Alternative zu der traditionellen Verlagsroute darstellten. Als ihr Handy klingelte, nahm sie nicht ab, denn sie wollte zuerst diesem Idioten klarmachen, wie der Buchmarkt wirklich funktionierte. Sie tippte:
Mit selbst verlegten E-Books lässt sich kein Geld verdienen. Natürlich gibt es Autoren, die glauben, sie wüssten es besser, und die in ihren Blogs lautstark mit ihren Erfolgen prahlen, aber dabei handelt es sich eindeutig um Lügner. Wer veröffentlichen will, für den führt an einem angesehenen Verlag kein Weg vorbei. E-Books sind eine Modeerscheinung, und wer so dumm ist und auf diese Welle aufspringt, der landet bei traditionellen Verlagen auf der schwarzen Liste.
Sie speicherte den Beitrag und kündigte ihren zahlreichen treuen Fans ihren neuesten Geistesblitz auf Twitter an.
Eigentlich schade, dass sie alle untalentierte Schreiberlinge waren, deren Werke sich nie verkaufen würden.
Bis die ersten Kommentare erschienen, würde es noch ein bisschen dauern. Sie griff zu ihrem Handy und hörte die Voicemail ab.
»
Ich bin’s. Nimm bitte den nächsten Flieger nach Detroit. Näheres erfährst du nach deiner Ankunft per SMS.
«
Cynthias Puls ging doppelt so schnell. Sie hörte sich die Nachricht noch einmal an und vergewisserte sich, richtig gehört zu haben. Dann ging sie auf Priceline.com und suchte nach einem Flug von LaGuardia nach Michigan.
Luther
31. März, 22:30 Uhr
Er verlässt das Blackstone-Hotel und wartet vor dem Eingang im kalten Nebel darauf, dass der Valet ihm seinen Mercedes Sprinter bringt. Obwohl ihm das Fahrzeug wirklich gefällt, wird es höchste Zeit, es verschwinden zu lassen. Die Bilder von dem Paket, das er vor dem Shedd-Aquarium hinterlassen hat, gingen durch die Nachrichten, und eine Menge Leute haben gesehen, wie er mit dem Van vorgefahren ist. Schon bald wird eine Beschreibung des Fahrzeugs die Runde machen – wenn es nicht schon längst geschehen ist.
Er gibt dem Valet eine Fünfundzwanzig-Cent-Münze Trinkgeld, steigt auf den Fahrersitz und braust auf der Michigan Avenue davon. Dann biegt er in den Lake Shore Drive ein und fährt in hohem Tempo nach Norden. Während der Fahrt lutscht er Zitronenbonbons und hört sich Miles Davis an. Miles gefällt ihm, die Zitronenbonbons schon weniger. Aber schlechte Gewohnheiten sind ein Teil von ihm.
Luther ist spürbar erleichtert, als er eine halbe Stunde später die Hauptstraßen hinter sich gelassen hat und durch ein ruhiges und fast verlassenes Viertel fährt. Hier ist er sicher.
Die Scheinwerfer des Sprinters schneiden durch den Nebel und beleuchten das hintere Ende des Sattelschleppers. Er hält an, lässt aber den Motor laufen. Dann öffnet er die Tür und steigt aus.
Die Laderampe herauszuziehen ist reinste Schwerstarbeit, aber er schafft es.
Er fährt den Sprinter in den Anhänger und stellt ihn am vorderen Ende ab. Zum Öffnen der Fahrertür ist es zu eng, also verlässt Luther den Van durch den Laderaum und die Hintertür.
Heute war ein wichtiger Tag, an dem alles perfekt lief, aber der morgige Tag wird noch wichtiger werden.
Ein Tag von historischer Bedeutung.
Der Tag, an dem sich die viele Arbeit, die er investiert hat, endlich auszahlen wird.
Aber es bleibt noch viel zu tun,
überlegt er, als er sich mit der Autorampe abmüht.
An Schlaf ist noch nicht zu denken.
Zuvor muss ich noch ein paar Versprechen einlösen.
1. April
Donaldson
1. April, 1:23 Uhr
Die lächerlichen sechsundzwanzig Dollar, die Henry ihnen gegeben hatte, waren für Benzin draufgegangen. An diesen verdammten Zapfsäulen, an denen man sofort bezahlen musste, konnte man keinen Sprit klauen. Und Violet King, diese fette Kuh, war ihnen zwar nützlich gewesen, hatte aber nur zehn Dollar bei sich gehabt. Auch dieses Geld hatten sie in
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