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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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die Tankfüllung investiert. Sie würden daher Lebensmittel oder Geld klauen müssen, wenn sie etwas zu essen wollten.
    Ladendiebstahl erschien ihnen als das geringere Risiko.
    Warum hatten sie nicht daran gedacht, sich in Violets Haus die Bäuche vollzustopfen? Violet hätte das Essen nicht vermisst.
    So wie die Dinge standen, würden sie sich mit diesem 7-Eleven zufriedengeben müssen.
    Donaldson ging als Erster in den Laden. In den großen Taschen seines Overalls ließ sich Essbares viel besser verstecken als unter Lucys hässlichem Kleid.
    Sie lenkte den Inder hinter dem Verkaufstresen ab, indem sie vorgab, ihn nach dem Weg zu fragen.
    In dem 7-Eleven gab es bestimmt Überwachungskameras, aber sie waren weit von der Anstalt entfernt. Und selbst wenn der Angestellte sie beim Klauen erwischte, so sahen sie derartarmselig aus, dass er sie wahrscheinlich mit einer Verwarnung laufen lassen würde.
    Donaldson stibitzte zwei Packungen Twinkies, eine Handvoll Slim Jims und ein paar Schokoriegel. Gerade als er die Hand nach etwas ausstreckte, das er auch ohne Zähne essen konnte – ein Glas Apfelmus –, hörte er den Angestellten schreien: »Hey, Sie! Was machen Sie da?«
    Donaldson erstarrte. Er schämte sich wie in seiner Kindheit, wenn ihn sein Vater schimpfte.
    Der Angestellte stieß Lucy beiseite und kam mit wutverzerrtem Gesicht herbeigeeilt.
    »Leeren Sie sofort Ihre Taschen!«
    Als Donaldson reglos verharrte, fasste ihn das Arschloch doch tatsächlich an und zog ihm das Diebesgut aus der Tasche. Donaldson starrte Lucy über seine Schulter hinweg an. Die war gerade dabei, die Pistole aus ihrer Unterwäsche zu ziehen. Sie hatte sie dort versteckt, damit Donaldson in seinen Taschen mehr Platz für Lebensmittel hatte. Er schüttelte den Kopf – Schüsse würden nur die Bullen auf den Plan rufen. Stattdessen entschuldigte er sich mit gesenktem Blick bei dem Arschloch.
    »Tut mir leid. Ich hatte Hunger. Ich hab seit Tagen nichts gegessen.«
    »Dann suchen Sie sich gefälligst ’nen Job, Sie Penner. Wenn ich Sie noch einmal hier sehe, hol ich die Polizei.«
    Er nahm Donaldson den letzten Snickers-Riegel weg, packte ihn am Hosenträger seines Overalls und geleitete ihn zur Tür hinaus. Donaldson tat es überall höllisch weh, aber er wagte keinen Widerstand.
    Draußen humpelte er zusammen mit Lucy über die Straße zu ihrer Schrottkiste.
    »Ich dachte, du lenkst ihn ab«, sagte Donaldson.
    »Er hat gewusst, was du vorhattest, D. Ich konnte nichts machen.«
    »Das nächste Mal müssen wir besser aufpassen.«
    »Nicht nötig. Während er mit dir beschäftigt war, hab ich mich bedient.«
    »Essen?« Bei dem Gedanken lief Donaldson das Wasser im Mund zusammen.
    »Was Besseres.«
    »Bares?«
    »Die Kasse war verschlossen, aber ich hab die hier.« Lucy langte unter ihr Kleid und zog einen Rattenschwanz von Karten hervor, die sich wie eine Ziehharmonika auseinanderziehen ließen.
    Rubbellose.
    »Verdammt noch mal, Mädel, damit gewinnt man doch nie was. Konntest du nicht wenigstens was Nützliches mitgehen lassen?«
    Plötzlich tat Lucy etwas, das Donaldson in all den Jahren, die sie zusammen in der Psychiatrie verbracht hatten, nie bei ihr gesehen hatte.
    Sie fing an zu weinen.
    Donaldson wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Vor langer Zeit hatte er sein Bestes versucht, dieses Mädchen umzubringen. Und sie hatte es ihm heimgezahlt . Aber während der letzten paar Jahre, in denen sie Reha-Maßnahmen ertragen und ihre Rache geplant hatten, war zwischen ihnen eine intime Beziehung entstanden, wie keiner sie vorher gekannt hatte. Als er sie jetzt so offensichtlich niedergeschlagen sah, tat ihm seine Bemerkung leid.
    Sie stiegen unter großen Schmerzen in den Monte Carlo ein. Donaldson gab ihr einen der Autoschlüssel.
    »Hör zu, wie wär’s, wenn wir die Lose rubbeln? Vielleicht gewinnen wir ja doch was.«
    Zehn Minuten später mussten sie feststellen, dass sie nur ein einziges Freilos gewonnen hatten.
    »Ich hasse dich«, sagte Donaldson zu Lucy.
    Inzwischen war es kalt geworden. Da sie kein Geld für ein Motelzimmer hatten, mussten sie wohl oder übel im Auto übernachten. Was die Situation noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass Lucy das Lorazepam verloren hatte – ihr Schlafmittel. Ohne Pillen würde es ihnen verdammt schwerfallen, einzuschlafen.
    Donaldson glaubte nicht an Karma. Aber als er an die vielen Menschen dachte, die er brutal ermordet hatte, fragte er sich, ob er es vielleicht verdient

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