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Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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er um den Schreibtisch herum. Roe hörte, wie sich die Schritte in Richtung Tür entfernten. Kurz darauf ertönte das Klicken eines Schlosses.
    Siders kehrte zurück und hob die Feuerwehraxt vom Fuß-boden auf.
    »Glasschneider vom Feinsten«, sagte er und holte zum Schlag aus.

Jack
1. April, 13:45 Uhr
    Ich riss Phin das Mobiltelefon aus der Hand und schrie Herb an, er solle sich beeilen.
    Er sagte: »Die Kollegen sind bereits unterwegs. Roe ist im elften Stock. Die Wachmänner sind auf dem Weg nach oben.«
    »Wir sehen uns dort.«
    »Jack …« Herb und Phin riefen gleichzeitig meinen Namen, aber ich stürzte bereits durch die automatische Ausgangstür nach draußen und sah mich nach McGlade um.
    Sein Tesla stand auf dem Behindertenparkplatz.
    Er spielte gerade TowerMadness.
    »Hey Jackie. Ich hätte beinahe das Dice-Level geschafft.«
    Ich riss die Beifahrertür auf und rutschte auf den Sitz. »Wie schnell ist die Kiste?«
    »Von null auf hundert in drei Komma sieben Sekunden.«
    »Zeig’s mir.«

Peter Roe
1. April, 13:48 Uhr
    Das spitze Ende der Feuerwehraxt schlug ein Loch in das Bürofenster. Eine Unmenge feiner Sprünge und Risse breitete sich wie Spinnenweben aus, aber die Scheibe zerbrach nicht. Siders zerrte die Axt heraus und schlug noch mal zu, immer wieder, bis schließlich winzige kunststoffbeschichtete Sicherheitsglassplitter auf Roe herabprasselten und ihn im Gesicht trafen. Von draußen wehte die kühle Aprilluft herein.
    Roe schrie in seinen Knebel und fragte sich, ob Kelly und seine Mitarbeiter ihn wohl hören konnten. Aber so laut war er ja nicht, und selbst wenn sie ihn hörten, nützte das nichts.
    Er dachte an die Ansprache, die er stets vor neuen Mitarbeitern hielt – was er angesichts des häufigen Personalwechsels in seiner Kanzlei öfter tat. Darin ging es unter anderem auch um seine Politik der offenen Tür, bei der eine Ausnahme galt:
Kommen Sie niemals in mein Büro, wenn die Tür zu ist. Klopfen Sie auch nicht an, weil ich dann entweder ein Nickerchen halte oder nackt bin.
    Wie sich jetzt herausstellte, hatte er mit dieser Regel ein Eigentor geschossen.
    Als er nun gefesselt und geknebelt dalag und diesem Irren dabei zusah, wie er ein Loch in die Fensterscheibe schlug, dämmerte es Peter Roe, dass er eigentlich ein Arschloch war. Er war gierig, egoistisch und ein strenger Chef. Aber weil er Geld hatte, ließ ihn das kalt – bis jetzt. Reichtum schirmte einen gegen die unschönen Dinge im Leben ab, auch gegen Schuldgefühle. Aber das alles zählte jetzt nichts mehr, denn er würde baldtot sein. Jetzt blieb ihm nur noch die Erkenntnis, was für ein Arschloch er war. Oder wie sein Sohn sagen würde: ein Wichser. Dass er jetzt in der Tinte saß, verdankte er einzig und allein seinem miesen Charakter.
    Siders warf die Axt auf das Sofa und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Das Loch, das er in die Scheibe geschlagen hatte, war zackig und unregelmäßig und maß an der breitesten Stelle knapp einen Meter. Als Roe hindurchstarrte, dämmerte es ihm zum ersten Mal, was nun geschehen würde.
    Er hatte aus irgendeinem Grund geglaubt, dass dieser Psychopath ihn erstechen wollte, aber in Wirklichkeit hatte er etwas ganz anderes vor.
    Siders packte Roe an den Beinen und schleifte ihn über den Teppich auf das Loch zu. Roe zappelte und versuchte sich unter Aufbietung aller Kräfte zu befreien, erreichte dadurch aber nur, dass sich die Kabelbinder noch tiefer ins Fleisch gruben – so tief, dass die Handgelenke zu bluten anfingen.
    Siders schob ihn mit den Füßen voran durch die Öffnung. Sie baumelten jetzt über der Dearborn Street. Kurz darauf ragten die Beine bis zu den Knien ins Freie, und Roe spürte, wie ihn die Schwerkraft weiter nach draußen zog.
    Siders setzte sich auf seinen Bauch und hielt ihn einen Augenblick länger fest.
    »Ich beneide Sie«, sagte er. »Jeden Menschen quält die Frage: ›Wann muss ich sterben?‹ Niemand weiß im Voraus das genaue Datum, geschweige denn die Uhrzeit. Sie schon.« Siders sah auf die Uhr. »In siebzig Sekunden fliegen Sie aus diesem Fenster. Ich habe Jack versprochen, Sie Ihrem Schicksal zu überlassen, und darum schneide ich Ihnen vorher nicht die Kehle durch. So, jetzt halte ich die Klappe und lasse Ihnen einen Moment, damit Sie ein letztes Gebet sprechen oder mit sich selbst ins Reine kommen können, oder wonach auch immer Ihnen der Sinn steht.«
    Roe kam der Gedanke, dass dies der Verrückte sein musste, der die Frau von der

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