Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
hatten.« Er lächelte wehmütig.
»Ich kann Ihren Verlust nachempfinden«, versicherte ich ihm.
»Ja, das glaube ich dir. Kannst du dich noch an Greta erinnern? Du warst ja einige Male mit deinem Bruder bei uns. Ihr seid immer zum Kuchenessen gekommen.«
»Ja, das hatte ich ganz vergessen. Ihre Frau hat immer Blaubeerkuchen gebacken. Der schmeckte wirklich super lecker.« Jetzt war es mir wieder eingefallen. Ich blickte Uffe Kvarnström an und versuchte in ihm den Mann der netten Dame zu erkennen, die uns Kindern damals diesen köstlichen Kuchen gebacken hatte. Doch es wollte mir nicht gelingen. Er schien meine Gedanken zu erraten. »Ich bin alt geworden und auf dem Kopf habe ich nicht mehr so viele Haare wie früher.« Er schmunzelte. »Ich nehme es dir nicht übel, wenn du dich an so einen alten Herrn nicht erinnern kannst. Du warst ja damals auch noch ein kleines Mädchen. Seit eurem letzten Sommer hier bei uns sind einige Jahre vergangen.«
Ich nickte und fragte: »Möchten Sie, äh, möchtest du noch eine Tasse Tee?«
»Gern«, antwortete Uffe lächelnd. Ich schenkte uns nach.
Er trank einen Schluck und nahm den Faden wieder auf. »Du hast ja ebenfalls einen schweren Verlust verkraften müssen. Rune hat mir vom Tod deiner Eltern erzählt. Auch ich möchte dir mein herzliches Beileid aussprechen.« Er griff nach meiner Hand und drückte sie. Ich schluckte und erwiderte den Händedruck. Seine Anteilnahme war aufrichtig, das fühlte ich.
»Danke, sie sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es wurde vermutet, dass der andere Fahrer betrunken war. Er hat eine rote Ampel überfahren und den Wagen meiner Eltern gerammt. Sie kamen von der Fahrbahn ab und fuhren gegen einen Baum. Man sagte mir, sie wären sofort tot gewesen.« Ich starrte auf meine Hände.
»Und der andere Fahrer?«, fragte Uffe leise.
»Er hat Fahrerflucht begangen. Die Polizei hat ihn bislang noch nicht ermitteln können.« Ich blickte auf und in Uffes mitfühlendes Gesicht. Er schüttelte den Kopf. »Dass Menschen so unverantwortlich sind, ist immer wieder erschreckend.«
»Ja«, bestätigte ich, »aber wenigstens weiß ich wo meine Eltern sind. Ich konnte sie begraben. Sie liegen auf dem Friedhof. Ben hingegen …« Mir versagte die Stimme.
»Ich verstehe«, sagte Uffe nur. Dann schwiegen wir beide einen Moment. Er räusperte sich und fuhr fort: »Ich bin froh, dass ich Gretas Grab jederzeit besuchen kann. Das tröstet mich. Ich stelle es mir schrecklich vor, keinen Ort der Trauer und des Trostes zu haben. Bist du deshalb nach Schweden gekommen –?«
»Ja, ich wollte meiner Familie wieder nahe sein. Ich … ich vermisse die Sommer meiner Kindheit. Es war alles so warm und …« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Es war einfach perfekt. Jedenfalls erscheint es mir in meiner Erinnerung so.«
Uffe lächelte mich an. »Wir hatten euch auch alle ins Herz geschlossen. Jeder von den Nachbarn mochte eure Familie. Ihr wart im Sommer ein fester Bestandteil unserer kleinen Nachbarschaft. Als dein Bruder dann vermisst wurde, haben sich alle an der Suche beteiligt.«
»Aber niemand hat ihn gefunden.« Ich seufzte. »Und ich konnte nicht helfen. Ich konnte die Stelle nicht mehr finden, an der Ben ertrank. Ich habe ihm nicht geholfen, als er nicht mehr auftauchte und ich konnte nicht einmal bei der Suche helfen!« Ich begann zu schluchzen. »Ich war völlig nutzlos!«
Uffe griff erneut nach meiner Hand. Er drückte sie und versuchte mich zu beruhigen. »Du warst ein kleines Mädchen. Es ist nicht deine Schuld, dass dein Bruder ertrunken ist. Sofie, sieh mich an! Du hast nichts falsch gemacht!«
Nun liefen mir wieder die Tränen über das Gesicht. »Ich hätte ihm helfen können. Ich hätte ihn aus dem Wasser holen müssen!«
Uffe schüttelte heftig den Kopf. »Nein, dann wärst du vermutlich auch ertrunken.«
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und sah ihn an. »Ich weiß nicht. Ich glaube immer noch, ich hätte ihn retten können, ja sogar retten müssen.«
»Möchtest du mir erzählen, was damals genau passiert ist?«, fragte Uffe.
Ich blickte in meinen Tee. Er wartete. Dann fing ich an zu erzählen. Während ich ihm berichtete, sah ich die Bilder vor mir, als würde ich sie noch einmal erleben. Vor meinen Augen sah ich den Zulauf zum versteckten Waldsee. Sah Ben und mich wieder in dem Ruderboot sitzen. Sah, wie wir uns mit dem Boot durch das hohe Schilf und Gestrüpp den Weg bahnten, bis wir auf dem See ankamen. Der See war
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