Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
ein, die mitfahren wollten. Als ich
noch einmal über meine Schulter spähte, war Kjell
verschwunden. Hatte er nicht auch die Fähre nehmen wollen?
Als wir ablegten,
stand ich an der Reling und starrte auf den Punkt, wo Kjell vor
wenigen Minuten noch gestanden hatte.
Ich
seufzte, warum verschwand er immer einfach und warum brachte er mich
so auf die Palme? Meine Gedanken begannen zu kreisen. Das war gar
nicht gut, denn er verwirrte mich zutiefst und ganz genau das fing
an, mich magisch anzuziehen.
4.
Kapitel
Auf verwunschenen Pfaden
Den ganzen nächsten
Tag ging mir Kjell nicht aus dem Kopf. Er war mir ein Rätsel und
mein Herz wollte dieses Rätsel unbedingt ergründen.
Natürlich konnte ich es mir nicht eingestehen und täuschte
hektische Betriebsamkeit vor. Ich putzte das Sommerhaus, saugte
Staub, fegte den Kamin aus und wischte den Herd. Mehr als einmal
scheuchte ich den Kater von einem seiner bevorzugten Plätze, um
die Sofakissen auf der Veranda auszuklopfen. Captain One Ear legte
den Kopf schief und beobachtete mich mit diesem kritischen Blick, den
nur Katzen haben. Es fehlte nur noch, dass er eine Augenbraue zum
Hochziehen gehabt hätte. Es war, als würde er fragen: »Wem
willst du eigentlich etwas vormachen?«
Ich sang laut die
Songs aus dem Radio mit und war insgesamt unerträglich fröhlich.
So fröhlich, wie man eben sein konnte, wenn man die Nacht zuvor
wieder Alpträume von einem schwarzen See gehabt hatte und einem
ein gewisser Jemand nicht aus dem Kopf ging.
Nachmittags ruderte
ich etwas umher. Ich ließ mich mit dem Boot treiben und machte
Fotos von Seerosen und Wasservögeln. Bevor ich zum Sommerhaus
zurückkehrte, legte ich an der ›Karibik‹ an, um zu
schwimmen. Ich wollte auf diesen Genuss nicht länger verzichten,
nur weil ich ein einziges Mal irgendwo mit dem Fuß
hängengeblieben war. Insgeheim hoffte ich, vielleicht auch Kjell
zu treffen. Doch er ließ sich nicht blicken. Ich schwamm ein
paar Runden, wobei ich jedoch im flacheren Wasser blieb und darauf
achtete, immer Boden unter meinen Füßen zu haben.
Am Abend, als ich
zur Ruhe kam, hatte ich Angst davor, ins Bett zu gehen. Angst davor,
wieder diese schrecklichen Träume von dem dunklen Waldsee zu
haben. Seit ich fast dorthin abgetrieben war, kam der Traum jede
Nacht. Er endete wie immer damit, dass das Ruderboot in die Tiefe
gerissen wurde, während ich weinte und schrie – und
schließlich erwachte.
Ich entzündete
ein Feuer im Kamin und machte es mir zusammen mit dem Kater auf dem
Sofa gemütlich. Zusätzlich zum Feuer hatte ich alle Lampen
eingeschaltet. Das war zwar nicht so gemütlich, aber diese
Festbeleuchtung beruhigte meine Nerven. Ich las weiter in dem Buch,
das ich schon auf Visingsö gelesen hatte. Irgendwann war ich so
müde, dass die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. Ein
Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass es bereits weit nach Mitternacht
war. Widerstrebend löschte ich das Feuer und machte mich
bettfertig.
Wie erwartet kam
mein Albtraum auch diese Nacht. Wie gerne hätte ich stattdessen
von Kjell geträumt. Aber der ließ sich nicht blicken.
Weder im echten Leben, noch in meinen Träumen. Typisch Mann,
wenn man sie brauchte, waren sie nicht da, nicht mal im Traum!
Ich erwachte
ungewohnt früh. Es war noch dunkel. Benommen tappte ich in die
Küche. One Ear lag noch im Bett und machte keine Anstalten mir
zu folgen. Er hatte nicht mal gezuckt, als ich aufgestanden war. Es
war eindeutig zu früh für ihn. Bleicher Nebel hing ums
Haus. Die Art von herbstlichem Frühnebel, die einen in dieser
Gegend sofort an Waldgeister und Feen denken ließ. Bald würde
die Sonne aufgehen. Es war die richtige Zeit um im Wald nach Elchen
Ausschau zu halten. Rune hatte einmal erzählt, dass man Elche am
ehesten in der Dämmerung sehen konnte – sowohl am Morgen,
als auch am Abend. Man musste nur sehr leise durch den Wald pirschen,
um die scheuen Tiere nicht zu verschrecken.
Ich beschloss, heute
auf Elchsuche zu gehen. Ich hatte schon so viel in Schweden erlebt,
aber noch nie einen Elch in freier Wildbahn gesehen. Damals waren
meine Eltern mit Ben und mir in einem Wildpark gewesen, in dem es
auch Elche gab, aber ich wollte sie in freier Natur erleben.
Fest entschlossen
zog ich meinen dicken Pullover, die Regenjacke, sowie meine
Gummistiefel an, da ich sicherlich querfeldein durch Gestrüpp
laufen musste. Die Jeans steckte ich in die Stiefel. Ich war mir
nicht sicher, ob die Zeckenzeit schon vorbei war und auf einen
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