Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
zwei Inseln hindurch auf
den offenen See. Ich legte mich ordentlich in die Riemen. Zunächst
fuhr ich im wilden Zickzack quer über den Sandsjön
ans andere Ufer. Dann ruderte ich in einiger Entfernung immer am
Schilfgürtel entlang. Die Ruder glitten gleichmäßig
durchs Wasser und das hatte etwas Meditatives. Mein Kopf wurde wieder
klarer und die frische Luft vertrieb all die düsteren Gedanken
und Ängste. Ich fühlte mich völlig frei.
Als ich fast um den
See herumgerudert war, beschloss ich, eine kleine Pause einzulegen.
Ich steuerte das Boot etwas näher an das schilfbewachsene Ufer
und ließ mich einfach treiben. Ich griff nach der Wasserflasche
und trank einen großen Schluck. Das Boot trieb weiter in das
Schilf hinein. Gerade wollte ich wieder nach den Riemen greifen, um
heraus zu rudern, als ich etwas zwischen den hohen Halmen entdeckte.
Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Augenblicklich ließ
ich die Ruder los und schlug die Hände vor den Mund, um nicht
loszuschreien. Ich schloss die Augen und öffnete sie erneut,
doch der Anblick blieb: Dort trieb ein Körper im flachen Wasser.
Es war der Körper eines Menschen. Die Person trieb mit dem
Gesicht nach unten im Wasser. Die leichten Wellen ließen ihn
leicht auf und ab schaukeln. Das dunkle Haar wurde durch das Wasser,
das den Kopf umspülte, hin und her bewegt. Doch ansonsten regte
sich die Gestalt nicht. Soweit ich es beurteilen konnte, handelte es
sich um einen Mann. Mein erster Gedanke ließ mein Herzschlag
für einen Moment aussetzen. »Kjell, oh mein Gott!«,
entfuhr es mir. Nein, das durfte nicht Kjell sein! Was sollte ich nur
tun? Ich versuchte mich zu beruhigen und klar zu denken. Mir wurde
klar, dass ich die Person aus dem Wasser ziehen musste, denn
vielleicht lebte der Mann ja auch noch. Auch wenn ich befürchtete,
dass er bereits tot war, wollte ich Gewissheit haben. Ich musste ihm
ins Gesicht sehen. Ich nahm ein Ruder und stand auf. Dann schob ich
mit Hilfe des hölzernen Ruders den Körper langsam über
die Schilfgrashalme hinweg immer näher ans Ufer, bis ich den
leblosen Körper fast an Land geschoben hatte. Mein kleines Boot
dümpelte ein wenig zurück. Ich benutzte das Ruder jetzt wie
ein Gondoliere und stieß mich damit am Untergrund vorwärts,
bis der Bug des Ruderbootes über den Boden schabte. Ich sprang
an Land und vertäute das Boot an einer Kiefer. Mit zitternden
Beinen ging ich zu dem Körper. Er trug ein schwarzes T-Shirt und
Jeans. Ich traute mich nicht, ihn anzufassen und so benutzte ich
abermals das Ruder, um den Mann vollständig an Land zu schieben.
Mit etwas Mühe drehte ich ihn um. Weit aufgerissene Augen
starrten mich mit leerem Blick an. Die Iris beider Augen war matt.
Ich brauchte nicht auf sein Puls oder sein Herz zu hören. Dieser
Mann war mit Sicherheit tot. Ich starrte auf eine Leiche. Für
einen Moment drehte sich alles. Ich glaubte, mich übergeben zu
müssen. Taumelnd ging ich mehrere Schritte zurück, bis ich
mit dem Rücken an einer Kiefer stand. Dann rutschte ich an dem
Baumstamm gelehnt hinunter und hockte schließlich auf dem
Waldboden. Ich umklammerte meine Knie und fing heftig an zu
Schluchzen. Es dauerte einige Zeit, bis ich aufhören konnte zu
weinen. Auch wenn mir immer noch übel war, so fing mein Kopf
doch wieder an zu arbeiten.
Es war nicht Kjell.
Obwohl ich darüber sehr erleichtert war, fragte ich mich, wer
dieser Mann dann war? Und wie war er gestorben? Durch einen Unfall?
Wie lange hatte er wohl schon so im Wasser gelegen?
Erneut stand ich auf
und ging zu dem Toten. Ich schaute ihn mir noch einmal genau an. Er
war recht jung, vermutlich Mitte 20. Sein Kopf hing irgendwie seltsam
abgewinkelt am Körper. Ich schlang die Arme um mich, um ein
erneutes Schaudern zu vermeiden. Es würde mir wohl nichts
anderes übrig bleiben, als die Polizei zu verständigen.
Schon wieder!
Ich
lief zum Boot und holte mein Handy aus der Windjacke. Während
ich die Nummer wählte und wartete, dass sich jemand meldete,
machte ich noch eine Entdeckung. In einiger Entfernung hinter mir
lagen zwei Sommerhäuser zwischen den Bäumen, die es früher
noch nicht gegeben hatte. In meiner Aufregung waren sie mir zunächst
gar nicht aufgefallen. Aber nun sah ich sie und etwas fiel mir direkt
ins Auge: Bei beiden Häusern war jeweils eine Fensterscheibe
zerbrochen.
7.
Kapitel
Unter Verdacht
Nur kurze Zeit
später war das Waldstück voller Leben. Unzählige
Polizisten liefen um die beiden Sommerhäuser und die Leiche
herum
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