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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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auf.
    Mein Vater erkundigte sich, ob man inzwischen Genaueres über unsere neuen Nachbarn wisse.
    Meine Mutter seufzte. »Das kann noch heiter werden.«
    »Heiter ist doch gut«, sagte Hanna spitz.
    »Bislang habe ich nur einen Mann und die beiden Kinder gesehen. Der Junge sieht eigentlich süß aus«, sagte meine Mutter. »Eine Hausfrau und Mutter scheint es aber nicht zu geben. Was das wieder für Sitten sind –«
    Ich berichtete, was Detlef Harms mir über Krögers Kolonialwarenladen erzählt hatte. »Da kommt jetzt eine Eisdiele rein. Italienisch. Vielleicht sind das die Leute von nebenan.«
    »Dufte«, sagte Hanna.
    »In der Stadt wäre das ja noch einigermaßen manierlich«, sagte meine Mutter. »Ich hatte schon Befürchtungen, sie wollten ihr Eis im Garten verkaufen. Mit diesem Zigeunerwagen. Wie sieht das denn aus? Es ist schon so schlimm genug.«
    »Wieso schlimm?«, sagte Hanna. »Der Wagen sieht besser aus als die Bruchbude von Haus.«
    »Ach Kind«, sagte meine Mutter mit leidender Miene, »wenn’s nur der Wagen wäre. Aber was ich vorhin mit ansehen musste, war – man kann es sich gar nicht vorstellen.«
    »Was denn?«, sagten Hanna und ich unisono.
    »Diese Kinder waren im Garten, haben Turnübungen gemacht. Wie im Zirkus, sag ich euch. Das Mädchen hat Rad geschlagen und dem Jungen Handstand beigebracht.«
    »Turnen ist gesund«, sagte mein Vater.
    »Turnen mag ja noch angehen«, sagte meine Mutter. »Aber dabei ist dem Mädchen«, meine Mutter räusperte sich, »der Rock hochgerutscht. Und dann konnte man natürlich ihren Schlüpfer sehen. Könnt ihr euch das vorstellen?«
    Ich konnte und verschluckte vor hemmungsloser Vorstellungskraft eine Kaper.
    »Ja und? Ist doch nichts dabei«, sagte Hanna. »Wenn man Turntrikots anhat, kann man noch viel mehr sehen.«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Ihr könnt es ja nicht wissen. Ihr ahnt es nicht. Der Schlüpfer –, wie soll ich sagen? Der Schlüpfer war – rot!«
    »Wie denn? Rot?«, sagte mein Vater, als habe er sich verhört.
    »Knallrot«, sagte meine Mutter angewidert.
    Rot, dachte ich, rot, rot rot. Rot wie Rosen? Wie der Lack von Siefkens Borgward? Oder wie Erdbeereis? Wie Wangen, wenn man rot wird, weil man sich schämt? Rot?
    »Rot gehört sich einfach nicht«, sagte meine Mutter. »Nicht bei Wäsche. Und schon gar nicht bei einem so jungen Ding. Das ist doch unanständig. Wenn das Mutti wüsste –« Oma schien also zum Glück noch nicht so detailliert im Bilde zu sein.
    Mein Vater sagte nichts. Vielleicht meditierte er genau wie ich über diverse Rottöne? Hanna schien zu erröten. Hatte sie etwa selbst so einen Schlüpfer in einem ihrer Geheimverstecke?
    »Zirkusvolk eben«, sagte meine Mutter und stapelte lautstark die Teller zusammen. »Das kann noch heiter werden, das sag ich euch.«

    Rot, rot, rot rotierte in meinem Kopf. Nachmittags ging ich zum Fußballtraining der B-Jugend. Da wurde es etwas besser. Unsere Vereinsfarben waren ja Blau-Weiß. Wir übten Freistöße. Unser Trainer meckerte immer, wenn wir uns in der Mauer duckten. »Das ist doch keine Mauer, Jungs. Da lacht euch der Ulbricht doch aus!«
    Einmal bekam ich einen Ball in den Unterleib, eine richtige Granate voll auf die Eier. Der Trainer klopfte mir auf die Schulter. »Gut so, Markus. Die Mauer muss stehen, auch wenn’s wehtut.«
    Unter der Dusche wurde es aber wieder ganz schlimm. Rot, rot, rot. Und was da erst drunter sein musste, wo rot drüber war! Selber helfen konnte ich mir nicht, weil der Granateneinschlag noch schmerzte. Dann war es für eine Weile gut. Abends im Bett wurde der Ohrwurm mit dem Mädchen vor der Tür von einem anderen ersetzt. Ein Lied aus dem Kindergarten. Grün, grün, grün sind alle meine Kleider. Wie war der Text bei rot, rot, rot? Rot, rot, rot sind alle meine Kleider, rot, rot, rot ist alles was ich hab. Darum lieb ich alles, was rot ist, weil mein Schatz ein – ja, was? Weil mein Schatz einen roten Schlüpfer hat? Aus Italien kommt? Ein Luder ist? Es wurde wieder ganz, ganz schlimm.

    Am nächsten Tag in der Schule wusste Detlef Harms Genaueres. Die Leute mit der Eisdiele kämen tatsächlich aus Italien und seien in unsere Stadt gezogen, weil es hier noch keine Eisdiele gab, hätten aber vorher schon seit einigen Jahren irgendwo im Ruhrgebiet gelebt.
    »Bochum«, sagte ich.
    »Kann sein«, sagte Detlef.
    »Weißt du, wie die heißen?«
    »Spaghettifresser.«

    »Es wird immer schlimmer«, sagte meine Mutter beim Abwasch nach dem

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