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Klack: Roman (German Edition)

Klack: Roman (German Edition)

Titel: Klack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Modick
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Geschirr. Hanna, wieder ganz treusorgende Hausfrau, machte Frühstück. Ihr Jean-Pierre saß am Tisch und sah wohlwollend zu. Im Radio lief der Babysitter-Boogie von Ralf Bendix mit Klein-Elisabeth, aber als gerade das drollige Geplärre von Klein-Elisabeth einsetzte, wurde ausgeblendet. Katastrophenmeldungen noch und nöcher. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren Deiche gebrochen. Hamburg hatte es besonders übel erwischt, sogar von Toten war die Rede. Unter dem Kommando des Innensenators namens Schmidt waren allerdings Rettungskräfte im Dauereinsatz. Das war die erste gute Nachricht, und die zweite folgte sogleich: In sämtlichen von der Sturmflut betroffenen Gebieten fiel heute die Schule aus.
    »Na, immerhin«, sagte Hanna. Immerhin sagte sie nicht immerhinque.
    »Hast du eigentlich schon mal aus dem Fenster geguckt?«, fragte ich.
    »Natürlich«, sagte Hanna. »Die Straße ist überschwemmt.«
    »Dann«, sagte ich und strich mir Honig aufs Toastbrot, »wird unser Keller auch nicht mehr trocken sein.«
    Daran hatte Hanna natürlich noch gar nicht gedacht. »Oh Gott, oh Gott!«, sagte sie.
    Nach dem Frühstück schauten wir nach. Es sah schlimm aus, waren aber nur Kinkerlitzchen, wenn man an die Ertrunkenen dachte oder an die Leute, die unter dem Kommando von Herrn Schmidt mit Hubschraubern von ihren Dächern gehievt werden mussten. Das Wasser war durch die ebenerdigen Kellerfenster eingedrungen und stand gut zehn Zentimeter hoch auf dem Zementfußboden. Hätte Hanna noch ihre Caprihose mit halber Wadenfreiheit angehabt, wäre die nicht mal nass geworden.
    »Was machen wir denn jetzt?«, sagte Hanna hilflos.
    »Feuerwehr«, sagte ich, »die pumpen das aus.«
    Das Telefon bei der Feuerwehr war dauernd besetzt. Machten die etwa während des Weltuntergangs erst mal Frühstück? Schließlich hob doch jemand ab. »Keller auspumpen? Mensch, Sie haben Nerven! Wissen Sie eigentlich, was hier los ist? Besteht unmittelbare Lebensgefahr? Nein? Dann gehen Sie ganz fix aus der Leitung, Mensch!«
    Und einfach aufgelegt. Frechheit! Aber zumindest hatte er mich gesiezt.
    »Dann müssen wir eben schöpfen«, sagte Hanna, plötzlich resolut geworden, und holte Putzeimer und Töpfe aus der Abstellkammer. »Und nimm deine Kamera mit wegen der Versicherung.«
    Es war eine ziemlich sinnlose Aktion, weil das, was auf dem Fußboden stand, nicht mehr zu retten war, und das, was in den Regalen stand, gar nicht erst gerettet werden musste. Vom Eichhörnchenvorrat hatte es nur die Kartoffeln erwischt, einen Sack Mehl, eine Kiste mit Äpfeln und den kleinen Leinensack mit Sonnenblumenkernen, den mein Vater eigenhändig gebunkert hatte. Mit einer Handvoll Sonnenblumenkerne, hatte er uns zum x-ten Mal erklärt, wäre nämlich der genügsame Russe tage-, wenn nicht wochenlang ausgekommen, wovon wir uns mal eine gehörige Scheibe abschneiden könnten, wenn wir nicht so verwöhnt und verweichlicht wären wie, wie –
    Dann hatte er den Faden verloren und den Sack dort abgestellt, wo wir jetzt mit den Eimern Wasser schöpften. Das heißt, Hanna schöpfte einen Eimer voll, reichte ihn dann an Lemartin weiter, der ihn durch die Waschküche trug und mir in die Hand drückte, und ich stieg die fünf Stufen der hinteren Kellertreppe hoch und kippte den Eimer im Garten aus, während Hanna bereits den nächsten Eimer füllte.
    Und dann, beim dritten oder vierten Eimer, standen plötzlich Clarissa, Enzo und ihr Vater vor mir, hatten je einen Eimer in der Hand, Enzo einen kleinen roten Sandkasteneimer, und wollten uns helfen.
    »Ist euer Keller denn gar nicht voll?«, fragte ich.
    Clarissa lachte. »Genau so voll wie euer. Aber in unserem Keller gibt es nichts, was man retten muss. Nur Müll von den Vormietern.«
    »Ach, das ist doch nicht nötig«, sagte Hanna, »wir kommen schon zurecht.« Aber das sagte sie nur aus Höflichkeit, die Clarissa und ihren Vater auch gar nicht abschreckte.
    Clarissa, die sich das schwarze Haar mit einem türkisgrünen Tuch hochgebunden hatte und damit wie Winnetous Schwester aussah, reihte sich zwischen mir und Lemartin in die Kette ein, während Herr Tinotti gemeinsam mit Hanna schöpfte. Enzo machte sich mit seinem Eimerchen selbstständig und schien großen Spaß an der Sache zu haben. Wenn Clarissa die Eimer an mich weiterreichte, berührten sich manchmal unsere Hände, und das war so wunderbar, dass ich mir wünschte, immer mehr Wasser möge in den Keller nachlaufen, aber leider sank der Wasserspiegel dank

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