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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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die Efeuranken rascheln hörte und das Flüstern des Nachtwinds
in den Lärchen, und plötzlich rief er laut: »Warum soll es denn nicht gehen,
Mann?« Und dann, noch schrecklicher anzuhören, flüsterte er noch einmal: »Warum
soll es denn nicht gehen?«
    Und wieder herrschte Schweigen. Isa war so erregt, sie konnte das
Kitzeln des Mondlichts auf ihrem Rücken spüren, und als Guthrie schließlich ein
lautes, schrilles Lachen ausstieß, als wolle er nun endgültig den Verstand
verlieren, da schwanden ihr die Sinne.

VII.
    Als Isa wieder zu sich kam, war Guthrie fort, und die Ratten
leckten ihr die Finger. Unter Qualen arbeitete sie sich zuerst auf die Knie und
dann wieder auf die Füße, denn ihre sonst so kräftigen Beine vermochten das
Mädchen kaum noch zu tragen, und von da schwankte sie fort aus der
entsetzlichen Galerie und zurück auf ihr Zimmer. Dort angekommen, verlor sie
keine Zeit. Sie wusch sich, obwohl sie ja schon vor Kälte zitterte, das Gesicht
mit kaltem Wasser, und damit gewann sie genügend Kraft zurück, daß sie ihre
Kiste packen konnte und einen genügend klaren Kopf bekam, um ein paar Zeilen für
Christine zu schreiben. Dann stolperte sie in die Küche und suchte sich ein
paar Bissen, denn sie war halb verhungert nach ihrer Nachtwache, und beim
ersten Sonnenstrahl verließ sie die Burg, ihre Truhe auf dem Kopfe, als sei es
ein Korb mit Linnen, und mit wachsamen Blicken zur Scheune, ob auch Tammas
nicht auftauchte. Sie atmete auf, als sie um die Biegung des Sees kam und das
graue Haus zwischen den Lärchen verschwand; grausig kam ihr das Haus nun vor,
und sie sah zu, daß sie noch das letzte Stück Wiese von Erchany hinter sich
brachte und auf die lange Straße das Tal hinunter nach Kinkeig kam. Als die
Sonne am Horizont erschien, begann es zu schneien, und so beschwerlich der Weg
nun auch werden mochte, desto froher machte es sie doch, denn der Schnee breitete
ein weißes Tuch des Vergessens aus zwischen ihr und den Schrecken jener Nacht.
    Der Leser wird sich vorstellen können, daß es nicht lange dauerte,
bis die Geschichte in Kinkeig die Runde machte – wie gesagt, die alten Weiber,
die im Winter nichts anderes zu tun hatten, machten eine große Sensation
daraus. Und wie immer, wenn ein solches Gerücht in einem schottischen Dorf
umgeht, wuchs es beim Wieder- und Wiedererzählen; bald hörte man, Isa habe sich
hinter zwei gigantischen Götzenstandbildern verstecken müssen, und dann sei
Guthrie gekommen und habe vor ihnen gebetet, splitternackt – Standbilder, die
er gewiß aus den Lagern der römischen Heiden ausgegraben hatte, und Gebete, die
er aus dem Studium der heidnischen Runen kannte. Oder wenn nicht Guthrie, dann
war es Tammas, der nichts angehabt hatte – Isas Geschichte, wenn auch ohnehin schon
grob, war doch für manche nicht lüstern genug. Man muß sagen, daß Isa stets
anständig und bescheiden blieb, bei all dem Aufhebens, das um sie gemacht
wurde; sie erzählte ihre Geschichte bereitwillig, doch ohne daß sie, wie man
das hätte erwarten können, sie jedesmal ein wenig neu ausschmückte. Nur zwei
Dinge fügte sie noch hinzu, und man mochte sich streiten, ob es nun Tatsachen
oder Erfindungen waren. Ihr sei, sagte sie, wieder eingefallen – wie etwas, das
man im Traum gehört hat –, daß Guthrie etwas von Amerika und Neufundland
gerufen habe, und das brachte sie in ihrem Kopf mit zwei Namen zusammen: Walter
Kennedy und Robert Henderson – aber sie hatte keine Ahnung, wer die beiden
waren, und auch in Kinkeig kannte keiner sie, außer daß Will Saunders erzählte,
es habe einmal einen Walter Kennedy gegeben, einen Pächter, der unten am See
gewohnt habe, aber der sei schon lange nicht mehr da, wer weiß, womöglich nach
Amerika oder Neufundland ausgewandert. Und das zweite, an das Isa sich noch
erinnerte, das war ein Bild von Guthrie, wie er, als sie halb ohnmächtig dalag,
über einen Tisch gebeugt gesessen habe, in das Studium von etwas vertieft – doch ob Buch oder Landkarte, das wisse sie nicht mehr. Das war Isas Geschichte.
Eine ganze Woche lang redete man in Kinkeig von nichts anderem, und ich will
nicht behaupten, daß ich nicht mitgeredet hätte: solche Gerüchte stecken an,
und für einen Schuhmacher gibt es wenig zu tun, wenn die Welt ringsum
verschneit ist.
    Nachdem Isa aus dem Herrenhaus fort war, gab es kaum noch
Nachrichten von dort oben. Zwei- oder dreimal kam, nachdem der erste Schnee
getaut war, Hardcastle herunter, um etwas zu besorgen, und einmal

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