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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Wohlschmeckend,
erfrischend und gesund , aber das ließ Roberts dann doch nicht durchgehen – alles habe seinen Platz, erklärte er, und so ein Schild, das gehöre vor ein
Glas mit Dauerlutschern. Wie gesagt, der kleine Carfrae kam und genehmigte sich
ein Fläschchen von seinem Zuckerwasser, und er war es, der das Gespräch wieder
auf Guthrie brachte.
    »Mistress Roberts«, sagte er mit einem säuerlichen Blick hinüber zu
Yule und Saunders und mir, »in unserer Gemeinde gibt es zu viele, die müßig und
lästerlich von anderen reden«.
    »Da haben Sie recht, Mr.   Carfrae, und das ist so, seit seinerzeit
das Gesetz zum Alkoholverbot scheiterte.« Und Mistress Roberts räumte unter
großem Gerassel die leeren Starkbierflaschen fort.
    »Wer hierher in den Salon kommt, hält ja in der Regel seine Zunge im
Zaum«, fuhr Carfrae fort und warf wiederum uns in unserer Ecke einen
mißbilligenden Blick zu, »aber drüben an der Bar, da sitzen die Bauernburschen,
die von nichts eine Ahnung haben, und zerreißen sich das Maul über unseren
Gutsherrn.«
    »Die arme Seele!« rief Mistress Roberts, »was der Mann zu leiden
hat!« Und sie hob den Blick zum Himmel wie ein Huhn, das einen Schnabelvoll
Wasser genommen hat. »Abscheulich, was sie sich alles zurechtphantasieren über
ihn und das wunderliche Mädchen Christine.«
    »Eine Schande«, stimmte Carfrae ihr zu und leckte sich die Lippen,
als sei das Ginger Ale diesmal besonders wohlschmeckend; »und umso
unanständiger, darüber zu reden, wo es ja wahrscheinlich stimmt. Das arme Ding,
von klein auf an dazu erzogen, so wie man ein Ferkel großzieht.«
    Das ist die Art von Rede, die mich bisweilen zweifeln läßt, ob die
Reformation wirklich ein so großer Segen war, und ob man nicht eher denen
zuneigen soll, die sagen, daß mit den Presbytern auch die Gehässigkeit nach
Schottland kam. Doch Dr.   Jervie sagt nein – und da hat er gewißlich recht –; er
sagt, daß solche Gedanken in die Irre führen und daß es an dem mageren Land
liegt, an den harten Pachtbedingungen, dem ewig grauen Himmel und dem eisigen
Nebel, der uns in die Herzen zieht – daß all das uns halb des Lebens unserer
Sinne beraubt, und zum Aufwärmen zieht es uns dann an die Feuer der üblen und
lüsternen Rede. Ich habe schon lange gelernt, den Mund zu halten, wenn die
Leute anfangen, so zu reden, und so hielt ich meinen Mund auch nun. Doch Rob
Yule, so viele Schatztruhen er auch im Keller haben mag, ist ein heißblütiger
Mann, und er hatte schon immer eine Schwäche für Christine. Und so biß er denn
auf Carfraes Köder an. »Ist die alte Lüge über das Mädel so dünn geworden«,
sagte er, »daß ihr jetzt eine neue braucht?«
    Dazu muß man wissen, daß Christine Guthries Mündel war und den Namen
seiner Mutter trug. Sie war als kleines Mädchen in das Gutshaus gekommen – das
Kind, so wurde damals verkündet, des Bruders von Guthries Mutter; der Bruder
und seine junge Frau waren bei einem entsetzlichen Eisenbahnunglück im Ausland
umgekommen. Ich kann mich noch gut der Zeit entsinnen, als niemand an der
Wahrheit dieser Geschichte zweifelte, doch dann kam ein Winter, der genauso
müßig war wie der, von dem ich hier schreibe; damals hatte das Gerücht seinen
Anfang genommen, daß das, was der Gutshof verkündet hatte, nicht die Wahrheit
über Christine Mathers sei und daß Ranald Guthrie mehr als nur ihr Onkel sei.
Doch nur die geheimnisvolle Art des Gutsherrn und sein schlechtes Ansehen gaben,
wie die wenigen vernünftigen Köpfe in Kinkeig sehr wohl wußten, diesem Gerede
auch nur eine Spur von Glaubwürdigkeit. Als das Mädchen auf keine Schule
kam, hieß es, der Gutsherr schäme sich seiner unehelichen Tochter; das war die
alte Lüge, auf die Rob Yule anspielte – und nun kam dieser Wicht Carfrae daher
und erzählte die nächste. Da müsse man doch Verständnis haben, daß Guthrie Neil
Lindsay abgewiesen habe: er hüte eben seine Geliebte eifersüchtig, alter
Lüstling, der er sei.
    Mistress Roberts spülte ein Glas. »Soll das heißen, sie ist doch
nicht seine Tochter?«
    Carfrae zögerte und warf einen verstohlenen Blick zu uns herüber.
»Die Leute erzählen allerlei«, sagte er. Und dann kicherte er in seinen
Sonntagsschultrunk hinein.
    Mistress Roberts schnalzte empört mit der Zunge und goß sich eine
Tasse Tee ein: sie hat immer eine große Kanne hinter der Theke stehen, und fast
jedem, der hereinkommt, bietet sie davon an, gratis, und Roberts schäumt vor
Wut. Tja, das seien

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