Klagelied auf einen Dichter
ging er bis
zum Bahnhof und führte ein Gespräch von dem Telefonhäuschen dort. Mistress
Johnstone, die Postmeisterin, war schwer beleidigt, als sie davon erfuhr, denn
er hätte ebensogut sagen können, daß alles, was er von ihrem kleinen Büro aus
sprach, gewiß weitergetratscht würde, obwohl sie doch von Amts wegen zum
Stillschweigen verpflichtet war. Eine Unverschämtheit war das, fand sie, denn
schließlich erwartete jeder von der Postmeisterin, daß sie etwas zu erzählen
hatte, wenn man sie auf eine Tasse Tee einlud, und alle glaubten, sie enthielte
ihnen etwas vor, wenn es keine Neuigkeiten gab. Doch Jock Yule, der auf dem
Bahnhof arbeitete und den ganzen Tag lang nichts anderes zu tun hatte als das
auszufegen, was er den Wartesaal nannte, höchstens ab und zu einmal half, ein
paar Schafe zu verladen, der hatte Hardcastle in der Telefonzelle gesehen; er
habe ein Bündel Papiere in der Hand gehabt und daraus in die Sprechmuschel
diktiert – Telegramme gewiß, die er direkt an die Zentrale in Dunwinnie
durchgab. Da müßten die Lerchen aufpassen, daß ihnen der Himmel nicht auf den
Kopf fiele, sagten die Leute, wenn der Gutsherr nun plötzlich anfinge, so mit
dem Geld um sich zu werfen.
Und als der wöchentliche Güterwagen kam, stellte Jock fest, daß er
eine halbe Wagenladung Kisten zur Burg zu liefern hatte, Körbe mit Lebensmitteln
und dergleichen von Mackie und Gibson und noch zwei, drei anderen Läden in
Edinburgh. Für die Leute war es keine Frage, daß Guthrie, der sonst einmal im
Jahr in Kinkeig ein Pfund Tee und ein Päckchen Kochsalz besorgen ließ, nun
endgültig den Verstand verloren hatte. Jock war so verdattert, daß es ihn nicht
gewundert hätte, wenn der Gutsherr ihm bei der Lieferung auch noch eine halbe
Krone Trinkgeld gegeben hätte, und noch ein Gläschen dazu spendiert. Doch nach
all der Mühe, die Jock hatte, seine Fracht in dem Tauwetter das Tal hinauf zu
bugsieren, prüfte Guthrie doch nur mit der Rechnung in der Hand
höchstpersönlich, ob auch alles da war, und versuchte, um das Fuhrgeld zu
feilschen; so verrückt war er denn wohl doch nicht geworden. Und so wenig ihm
seine Arbeit auch gedankt worden sei, sagte Jock, habe ihm der Mann doch leid
getan: übernächtigt habe er ausgesehen und alt – und ratlos, wie ein Mann, der
sich nicht entscheiden kann.
Nun, für manchen in Kinkeig war es das reinste Weihnachtsgeschenk,
zu hören, daß es Guthrie nicht gut ging; wenn der Herr zu leiden hatte, freute
sich das Volk, ob sie nun wußten, was ihm den Kummer bereitete, oder nicht.
Doch viele versuchten sich in einer Erklärung und noch mehr darin, die
Erklärungen der anderen zu widerlegen. Der Zeitungshändler verkündete, für ihn
gebe es da alternative Hypothesen, und alle bewunderten ihn dafür: es ist schon
unglaublich, wie ein paar unverständliche Worte jemanden, der nie etwas liest,
beeindrucken können.
Eine solche Geschichte aus dem Arms ist mir noch im Gedächtnis,
nicht zuletzt weil der Abend ein so spektakuläres Ende nahm.
Dann und wann, wenn ich im Arms bin, gehe ich einmal vom Schankraum
hinüber zum Salon – wo sich die angeseheneren Mitglieder unserer Gemeinde am
Abend gern zu einem Schwätzchen zusammenfinden. Will Saunders war da und Rob
Yule, und es dauerte nicht lange, bis der Zeitungshändler dazukam, noch immer
sozusagen mit einer Hypothese in jeder Tasche – denn er gab sich ja immer, als
wisse er insgeheim mehr als andere und verrate es nur nicht: wenn er von
Politik redete, dann hätte man denken können, er kenne die Chefredakteure von Scotsman und Times persönlich.
Und hinter der Theke stand Mistress Roberts und klapperte mit den Krügen, um
aller Welt zu zeigen, wie sie den Alkohol verachtete und daß sie nie im Leben
geglaubt hätte, daß sie ihn noch einmal ausschenken müßte; für Roberts war sie
eine schwere Prüfung, aber er verdiente es ja, wie die Leute sagten, nicht
anders, denn als er um sie warb, hatte sie ihm da nicht immer wieder ihre
Traktate zugesteckt, über die Wirkung des Alkohols, der den Blutstrom vergiftete,
und hätte das einem Wirt nicht zu denken geben sollen? Mistress Roberts sprach
kein einziges Wort, bis der kleine Carfrae hereinkam, der Gemüsehändler.
Carfrae rührt keinen Tropfen an, aber er kommt doch in den Salon, weil er hören
will, was erzählt wird, und Mistress Roberts hält immer ein Ginger Ale für ihn
bereit; einmal hatte sie eine Reihe von solchen Flaschen hinter der Bar
aufgestellt, mit einem Schild davor:
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