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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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einen Krug Bier, wenn’s
recht sei, und er werde auch gern dafür bezahlen –, zapfte sie es ihm ohne böse
Miene. Da, fand sie, war Will nun endlich auf das gekommen, was den Gutsherrn
wirklich quälte, und deswegen habe er auch, als Isa in ihrem Versteck saß,
etwas von Neufundland und Amerika gerufen. Mich persönlich überzeugte das
nicht.
    Doch Will versicherte, das sei der Grund, weswegen Guthrie Erchany
wieder herrichte; die Vettern hatten ihn beinahe für verrückt erklären lassen,
weil er so geizig und eigenbrötlerisch lebte, und nun hatte er erfahren, daß
sie etwas Neues im Schilde führten, und er mußte zeigen, wie großzügig er war;
am Ende würde Christine bestätigen müssen, daß er stets eine Flasche Wein für
sie springen ließe. Und wenn wir die Namen der Vettern erfahren würden, dann
könnten wir sicher sein, daß sie Kennedy und Henderson hießen, die beiden
Namen, die Isa ihn in der Galerie hatte rufen hören. Woraufhin der
Zeitungshändler erklärte, das Detektivspielen sei doch eine faszinierende
Sache; Rob Yule meinte allerdings, er ziehe ein paar ordentliche Fakten vor; im
Gegensatz zu Will wisse er nämlich, wie die amerikanischen Vettern hießen, und
sie hießen schlicht und einfach Guthrie. Er war noch ein kleiner Junge gewesen,
als die jüngeren Guthries nach Australien auswanderten, aber er konnte sich
erinnern, wie sein Vater erzählt hatte, daß sie beinahe nach Amerika gegangen
wären, doch dort waren schon die Söhne vom Bruder des Vaters, und die beiden
Familien seien verfeindet; eine Blutsfehde sei es sogar.
    »Da«, rief Will, »Blut!« Der Gemüsehändler fuhr zusammen, so als ob
es sein Blut sei, nach dem sie da riefen, und Mistress Roberts hielt verdattert
inne, die Teekanne auf halber Höhe. Doch für Will war das nur ein weiterer
Beleg für seine These. »Hat denn Guthrie nicht in jener Nacht irgendwelches
krauses Zeug geredet, daß es alles im Blut liegt? Und wird er denn da nicht die
Bosheit der amerikanischen Guthries gemeint haben, diejenigen, die ihm sein
Eigentum rauben wollten und es vielleicht gerade zum zweiten Mal versuchen?«
    Der Zeitungshändler fand das höchst plausibel. Und der kleine
Carfrae, der noch immer mürrisch in seiner Ecke gesessen hatte, hielt es nun
doch nicht mehr aus und wollte auch wieder mitreden. Denkbar sei es, sagte er – aber die Amerikaner seien ja nicht die einzigen, die in Feindschaft mit den
Guthries von Erchany lebten. Gab es da nicht Neil Lindsay, den dunkelhaarigen
Burschen, der immer nur über den uralten Geschichten brütete und überall
erzählte, daß er und die Seinen Erbfeinde der Guthries seien? Doch der
Zeitungshändler konnte sich nicht vorstellen, daß Guthrie sich von einem
solchen Grünschnabel einschüchtern ließe, einem verbohrten Nationalisten dazu;
aber man solle natürlich keine Möglichkeit unerforscht lassen.
    »Wo ich gern einmal forschen würde«, sagte ich, »das wäre in
Guthries Galerie.«
    Alle starrten mich an; je seltener man den Mund aufmacht – das habe
ich schon oft beobachtet –, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt man, wenn man
etwas sagt. »Und«, fügte ich noch hinzu, »ich wüßte gern, was das für Verse
waren, die er in jener Nacht vor sich hinsprach.«
    Da machten sie noch größere Augen, und der Zeitungshändler erklärte,
er wisse nicht, was Guthries armselige Gedichte bei dieser Sache für eine
Relevanz haben sollten.
    »Das kann ich mir vorstellen«, antwortete ich mit jener
geheimnisvollen Art, mit der er selbst immer gern antwortet.
    Rob Yule lachte und meinte, dann könne ich ihnen ja vielleicht auch
verraten, was Guthrie im Sinn habe: habe Will recht, daß er Erchany aus Furcht
vor den Amerikanern herrichte?
    »Es würde mich wundern, wenn die amerikanischen Vettern sich noch
groß Gedanken um Guthrie machten, oder er um die Vettern.« Und mit diesen
Worten klopfte ich meine Pfeife aus und schickte mich an, nach Hause zu gehen.
    Doch, lieber Leser, ein solcher Hochmut bleibt nicht lange
ungestraft. Ich war gerade erst bis zur Tür des Salons gekommen, als sie so
stürmisch aufflog, daß ich beiseitespringen mußte, und herein kam ein junges
Mädchen in Reisekleidern. »Ich störe doch nicht?« fragte sie in einem Ton, der
verriet, daß sie nichts anderes als ein »aber nein« erwartete, marschierte
schnurstracks zur Bar und wandte sich mit knappen, doch nicht unfreundlichen
Worten an Mistress Roberts. »Die Postmeisterin war nicht da, und ich kann mich
nicht mit langer Suche

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