Klagelied auf einen Dichter
Elektriker?«
»Ganz recht. Und wenn Sie eine Stoppuhr auf der Polizeiwache haben,
dann würde die uns, glaube ich, ebenfalls gute Dienste erweisen.«
V.
Als die Aussage meiner Mandantin aufgenommen war, entschuldigte
ich mich und machte mich auf die Suche nach Noel Gylby. Ich würde demnächst
einen Assistenten brauchen, und da ich wußte, daß Miss Guthries neue Aussage
Speight nur in seinen Verdächtigungen Lindsays bekräftigt hatte, fand ich es
nicht ratsam, ihn zu diesem Zeitpunkt ins Vertrauen zu ziehen. Gylby war
verläßlich und intelligent, und er würde gewiß mit Begeisterung mithelfen, das
Geheimnis aufzuklären. Gemeinsam suchten wir Mrs. Hardcastle, die in ihrem
aussichtslosen Krieg gegen die Ratten finster durch die Burg kroch, und
überredeten sie, uns ein paar Butterbrote als frühes Mittagessen
zurechtzumachen. Ich schlug vor, daß wir eine stille Ecke suchten, um uns zu
unterhalten, und nach kurzer Überlegung führte Gylby mich hinauf in den langen,
um drei Seiten des Hauses führenden Raum, die Galerie. Ich betrachtete die
zerschmetterte Tür mit einiger Verwunderung – die Geschichte der kleinen Isa
Murdoch hatte ich ja noch nicht gehört –, und dann gingen wir hinein. Nach
einigen Blicken auf die Familienporträts und die vor sich hin modernde
Theologie machten wir es uns in einer Nische so bequem, wie wir nur konnten.
»Mr. Gylby, Sie haben wahrscheinlich einen gewissen Begriff davon,
was die Polizei über die ganze Angelegenheit denkt?«
»Daß der flüchtige Lindsay am Galgen baumeln sollte.«
»Genau. Und Sie, haben Sie eine eigene Meinung zu dieser Frage?«
»Eine Meinung kann man es nicht nennen, dazu ist es nicht eindeutig
genug. Aber ich habe ein oder zwei Ahnungen – vor allem das Gefühl, daß wir zu
viele Puzzlesteine haben. Es ist, als seien mehrere der berühmten Puzzles des
Gutsherrn durcheinandergekommen, und je mehr das Bild Gestalt annimmt, desto
mehr hat man es mit einem embarras de richesses zu
tun.«
»Da bin ich ganz und gar Ihrer Meinung, Mr. Gylby. Sprechen Sie
weiter.«
»Zu viele Schurkereien. Offensichtlich bei Hardcastle,
unterschwellig, eine Art Drohung, bei Guthrie selbst. Gefühlsmäßig würde ich
sagen, daß Guthrie irgendwelche Gemeinheiten vorhatte, daß Lindsay sich aber
als zu starker Gegner erwies, und daß schließlich Guthrie mehr oder weniger
bekam, was er verdiente. Ich habe den Eindruck, daß Sybil dasselbe vermutet
oder daß sie etwas darüber weiß – und deshalb versucht, Lindsay zu schützen.«
»Eine sehr interessante Theorie. Können Sie sie noch näher
ausführen?«
»Nun – es klingt weit hergeholt und grausig und gemein – aber wie wäre
es mit folgendem. Bedenken Sie dabei den allem Anschein nach aufgebrochenen Sekretär.
Guthrie wollte Lindsay einen Diebstahl anhängen, gerade in dem Augenblick, in dem
er mit seiner Nichte auf und davon wollte. Bei seinem Besuch oben im Turm riecht
Lindsay die Lunte, kommt noch einmal zurück, ohne daß Sybil etwas bemerkt, und stößt
Guthrie über die Zinnen. Dann bricht er mit dem Mädchen auf, als sei nichts
gewesen.«
»Fast perfekt. Aber ich glaube, eine psychologische Schwäche hat
diese Theorie. Einen solchen Plan gegen Lindsay könnte nur jemand hegen, dessen
Verstand labil ist. Das können wir zugestehen, denn daß Guthrie ein höchst
wunderlicher Mann war, steht außer Frage. Doch wie steht es mit Lindsay?
Guthrie war in gewissem Sinne sein Feind, und daß er ihn im Jähzorn getötet
hätte, als er Ihren hypothetischen Plan entdeckte, ist denkbar genug. Aber
würde er dann – wie Sie sagen, ›als sei nichts gewesen‹ – mit dem Mädchen
fortlaufen? Das würde ja beinahe noch einen zweiten labilen Verstand
voraussetzen. Ein normaler Mann, der seinen Feind tötet, als er entdeckt, daß
dieser heimtückische Absichten gegen ihn hegt, würde doch bleiben und sich den
Konsequenzen stellen. Und ganz gewiß würde er nicht mit dem Mädchen, das er
liebt, davonlaufen wie ein gewöhnlicher Verbrecher. Bin ich da sentimental,
Gylby? Ich würde eher sagen, es ist gesunde Psychologie.«
»Und ich stimme zu.«
»Es blieben auch immer noch viel zuviele Puzzlesteine übrig – im
Grunde hätten wir ja kaum mehr als die aufgebrochene Schublade erklärt. Lassen
Sie uns noch einmal zurückgehen und überlegen, wie Lindsay bei Speight dasteht.
Er bringt Guthrie um, raubt sein Gold und flieht mit seiner Nichte. Was halten
Sie davon?«
»Zunächst einmal würde Christine Mathers
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