Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Menschen nicht glücklich sind.«
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Minister Saluafata war nicht nervös wegen des Treffens mit dem pitarischen Minister. Er hatte gelegentlich schon mit den besonders vernünftigen, aber doch furchtbar grotesk aussehenden Thranx zu tun gehabt und hielt es keineswegs für problematisch, sich nun mit einer weiteren nichtmenschlichen Spezies an den Verhandlungstisch zu setzen, einer Spezies, deren Vertreter eher an die Leuchtkörper eines 3-Ds erinnerten als an außerirdische Besucher. Auf die anstehenden Gespräche freute er sich. Nur deren Ausgang bereitete ihm Sorgen.
Es würde kein gewöhnliches Treffen werden. Heute ging es weder um kulturellen Austausch noch um die Festlegung von Reiserechten. Derartige Angelegenheiten sollten und würden von Ministerialbeamten und niederen Diplomaten verhandelt werden. Nein, heute stand weit mehr auf dem Spiel, und für derartig wichtige Angelegenheiten musste jemand von Saluafatas Kaliber persönlich auf den Plan treten.
Sein ›Kaliber‹ gründete sich sowohl auf seine physischen als auch mentalen Eigenschaften. Obwohl der Minister nicht sonderlich langgliedrig war, konnte man ihn durchaus als groß bezeichnen. Er war, wie alle seine Vorfahren, stämmig gebaut, seine Schultern wirkten, als seien sie so breit wie der Mann selbst groß war, doch bestand dabei nur ein geringer Anteil seiner Körpermasse aus Fett. Als kaufenden Türstoppen - so bezeichneten ihn seine Kollegen und Untergebenen mitunter. Gleichwohl war Saluafata weniger erfahren im Aufhalten von Türen als von Krisen, und er pflegte eingeschüchterte Gegner mit einem Lächeln zu entwaffnen, das so breit war wie die Lagune, die seine kleine Heimatinsel umgab. Und wenn er seine nervösen Gegner nicht mit seinem Lächeln zu beruhigen vermochte, sorgte er für entzücktes Gelächter, indem er mit seiner erstaunlich guten Falsettstimme das ein oder andere Lied anstimmte.
Wie ein Wal, der eine rückläufige Evolution mitmacht und wieder Hinterbeine ausgebildet hat, setzte er sich in den Stuhl am Ende des Tisches. Sein persönlicher Sekretär Ymir nahm links von ihm Platz, während die steife und immer korrekte zweite Staatssekretärin für Außerirdische Angelegenheiten, Mandan HoOdam, sich auf den freien Stuhl zu seiner Rechten niederließ. Karaffen mit kühlem Wasser standen vor den Delegierten, zusammen mit kleinen kobaltblauen Kristallschalen voller gemischter Nüsse. Wie sich herausgestellt hatte, waren die Pitar von derartiger irdischer Nahrung besonders angetan.
An jedem Ende des Raums stand ein Wächter. Keiner der beiden trug deutlich sichtbar Waffen am Körper - wobei die Betonung, wie Saluafata wusste, auf den Worten deutlich sichtbar lag. Der freundlich wirkende Konferenzraum hatte die Form einer Halbkugel, in die ein breites Fenster eingelassen war, das einen großzügigen Ausblick auf das ruhige tropische Meer bot. Da die Kuppel sich hoch an die Seite eines balinesischen Hangs schmiegte, konnte man die ein sorgenfreies Leben versprechenden Strände von Sanur in der Ferne sehen. Sie wimmelten vor Besuchern, die im warmen Wasser herumtollten und nicht ahnten, wie bedeutend das Treffen war, das gleich in ihrer Nähe stattfinden würde. Bis auf wenige Ausnahmen arbeiteten alle Badegäste für die Planetenregierung, im Dienst für extraterrestrische Beziehungen. Das dicht besiedelte Bali war schon längst kein Etappenziel für Touristen mehr.
Die ganze Anlage muss umziehen, dachte Saluafata. Durch das Wachstum der Weltraum- und Expansionsforschung war längst nicht mehr genug Platz für alle Einrichtungen vorhanden. Auch nahm Saluafata nicht an, dass er der einzige Diplomat war, der sich im Schatten der periodisch aktiven Vulkane unwohl fühlte, die die Insel und diesen Teil der Welt dominierten. Schon jetzt wurden Amter und Büros, die zusätzlichen Platz brauchten, nach Süden verlegt, an die Ostküste des Südkontinents. Dort gab es flaches, unbewohntes Land im Überfluss, und man baute dort einen gewaltigen Shuttlehafen, zur Bewältigung des zunehmenden Flugverkehrs von und zu anderen Welten.
HoOdam murmelte etwas vor sich hin, während sie die streng vertraulichen Dokumente in ihrem Lesegerät überflog. In regelmäßigen Abständen tastete das Gerät ihre Netzhaut mit einem unsichtbaren Strahl ab, um sich zu vergewissern, dass kein Unbefugter die Dateien las. Sollte tatsächlich ein Unbefugter das Gerät benutzen, würden die Buchstaben auf dem Bildschirm ebenso unsichtbar werden wie der
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