Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
Kaltwetterkleidung enger um den Thorax zu zurren. »Wir haben keine Verwendung für diese Welt.«
»Und wir stehen nun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert in Kontakt, ohne dass es größere Konflikte oder Streitigkeiten zwischen uns gegeben hätte. Nur das übliche Gezeter und Gemecker von Xenophoben auf beiden Seiten.« Er verstummte.
Da der Mensch anscheinend eine Erwiderung erwartete, gab Reldmuurtinjak ihm die Antwort, die er vermutlich hören wollte. »Die Thranx, die den Menschen misstrauen und keinen Kontakt zu Ihnen wollen, fürchten sich nur vor der Unberechenbarkeit der Menschen.«
Lee runzelte unsicher die Stirn. »Nicht vor unserem Hang zur Gewalt?«
»Nein. Wir wissen, dass Aggressivität kein ungewöhnliches Merkmal für eine vernunftbegabte Spezies ist. Deshalb beunruhigt es uns nicht, dieses Merkmal auch bei euch Menschen festzustellen. Unsere Vorfahren haben einander ebenso skrupellos bekämpft, wie Ihre Vorfahren es taten. Und seit mehr als zweihundertfünfzig Menschenjahren setzen wir uns mit den Täuschungsmanövern und Raubzügen der weit streitlustigeren AAnn auseinander. Aber das Verhalten der AAnn ist mehr oder minder berechenbar. Das Verhalten Ihrer Spezies nicht.« Nun sah er den Menschen an. »Zumindest müssen wir noch eine ganze Weile an einem Schema arbeiten, das zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führen dürfte.«
Lee ging neben dem insektenähnlichen Wesen in die Hocke und war sogleich umgeben von dem durchdringenden Duft nach Gardenien. »Hören Sie, ich möchte mich für meine Freunde entschuldigen. Sie müssen verstehen, dass jeder Mensch hier und auf unseren Kolonien im Weltraum sehr frustriert ist, weil wir nicht herausfinden können, welches Volk für die entsetzliche Tat hier auf Treetrunk verantwortlich ist.«
Mit glitzernden Facettenaugen betrachtete der Thranx das bewegliche, rätselhafte Menschengesicht. Reldmuurün-jak wusste diesen Gesichtsausdruck nicht zu deuten, doch hörte er die Sorge in der Stimme des Säugers heraus. »Wir sind ebenfalls frustriert, aber das veranlasst uns nicht dazu, haltlose Anschuldigungen zu machen.«
Verlegen wandte Lee den Blick ab. »Das ist typisch für uns Menschen: in Abwesenheit eines anderen Anschuldigungen zu machen. Ich fürchte, das wird sich nicht ändern, bis wir herausfinden, was hier geschehen ist.«
»Dann wird das Verhältnis zwischen uns vermutlich eine Zeit lang vergiftet sein.« Die Stimme des Thranx klang so weich wie immer, der Ton kühl und monoton. »Denn meine Leute haben hier nichts Brauchbareres gefunden als Ihre.«
Dieses Mal schwiegen sie beide eine Weile, ehe Lee schließlich sagte: »Einige von uns finden es eigentümlich, dass von allen vernunftbegabten Spezies, die uns helfen können, nur die AAnn keine Forschungsteams hierher entsenden wollten.«
»Kilück, das überrascht uns nicht. Die AAnn sind ein verräterisches und gefährliches Volk. Sie töten, wenn es vorteilhaft für sie ist, und ziehen sich mit unzähligen Entschuldigungen zurück, wenn man sich ihnen entschlossen entgegenstellt. Das macht uns im Umgang mit ihnen so gereizt. Im einen Moment handeln sie äußerst fair, im nächsten legen sie einen Hinterhalt und zerstören. Wenn man sie dabei ertappt, bekunden sie meisterhaft ihre Reue. Da man sich bei ihnen nie sicher sein kann, muss man stets vor ihnen auf der Hut sein.«
Lee dachte einen Moment lang nach. »Sie sind nicht der Erste, der andeutet, dass die AAnn hinter der Sache stecken könnten. Solange das Rätsel nicht gelöst wird, ist praktisch jeder verdächtig. Sogar abtrünnige Menschen.«
Das verwirrte den Thranx-Forscher. »Sie würden Ihre eigene Spezies einer solchen Gräueltat verdächtigen?«
»So etwas hat es in der Vergangenheit schon gegeben. Im Ersten und Zweiten Mittelalter.«
»Aber wieso? Aus welchem Grund denn nur?«
Als Lees Beine sich in der unbequemen Hockstellung verkrampften, setzte er sich auf den Boden. »Sie haben erwähnt, dass es in Ihrer Spezies Xenophobe gibt, die nur ein Minimum an Kontakt zu uns Menschen haben wollen. Unsere Xenophoben sind fanatischer als Ihre. Einige davon würden alles tun, um zu verhindern, dass sich unsere Spezies einander annähern.« Mit einer ausholenden Armbewegung deutete er auf die Verwüstung ringsum. »Es ist nicht auszuschließen, dass sie vielleicht zu derart extremen Maßnahmen Zuflucht genommen haben, um den Thranx die Schuld zuschieben zu können - oder einer anderen nichtmenschlichen
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