Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
geworden. Er war sich zwar nicht sicher, hatte jedoch den Eindruck, als würden sich neue Rauchsäulen zu den alten gesellen, während er zusah. Das wiederkehrende Donnern, das ihm vorhin aufgefallen war, hallte nun immer regelmäßiger durch die Luft.
Er hatte noch nie erlebt, wie eine Stadt angegriffen wurde, doch hatte er 3-D-Aufzeichnungen von solchen Angriffen gesehen, sowohl fiktive als auch historische. Mallory überlegte angestrengt, wer eine wehrlose Kolonie angreifen würde - und warum. Als Erstes kamen ihm die AAnn in den Sinn. Die Thranx beharrten darauf, dass die aggressive Reptilien-Spezies jeden möglichen Vorteil ausnutzen würde. Aber Treetrunk war viel zu kalt für sie und lag so weit von der nächsten AAnn-Welt entfernt, dass das Imperium den kleinen Planeten wohl kaum als bedrohlich empfinden könnte. Außerdem war Treetrunk alles andere als ein Lagerhaus voller wertvoller Rohstoffe, die es nur hier gab und nirgendwo sonst.
Die gleichen Gründe (und sogar noch mehr) machten Treetrunk auch für die Thranx unattraktiv. Wie die meisten Menschen stand Mallory den insektenähnlichen Wesen mit gemischten Gefühlen gegenüber. Die Thranx wollten mit der Menschheit befreundet sein, aber darauf waren die meisten Menschen nicht sonderlich erpicht. Sie verhielten sich den Thranx gegenüber distanziert, größtenteils wegen deren Aussehen. Nachdem die Menschen tausende von Jahren gegen die (viel kleineren) entfernten irdischen Verwandten der Thranx gekämpft hatten, waren sie noch nicht dazu bereit, einen Thranx in ihr Haus einzuladen.
Aber wer greift uns dann an?, dachte Mallory, während er benommen beobachtete, wie die Wolke der Zerstörung in der Ferne immer größer wurde. Bestimmt nicht die Quillp, die harmloseste Spezies, der die Menschheitje begegnet war. Andererseits waren auch die Quillp Kolonisten und Siedler, und ihr Einflussbereich lag viel näher an dem Weltraumquadranten, in dem sich die Menschheit rasch ausbreitete, als am AAnn-Imperium, wenn auch nicht so nah an den Thranx-Welten.
Gehörten die Angreifer einer neuen, bislang unbekannten Spezies an? Während Mallory auf dem Berghang stand und die Stadt, die er mit gegründet hatte, brennen sah, erschien ihm diese Erklärung als am wahrscheinlichsten. Welche Spezies es auch immer war, sie war technisch hoch entwickelt.
Mallory zog sich ins Haus zurück, durchquerte es und trat auf die Veranda hinaus, auf der ein tragbares Messgerät stand. Er richtete es auf die Wolke und maß systematisch deren Umfang, dann scannte er das Wolkeninnere. Kein Anzeichen auf ein Luftfahrzeug. Die niedergehenden Explosivkörper kamen von außerhalb der Atmosphäre. Sie wurden aus dem Orbit gestartet und dann präzise zu ihren Zielen gelenkt. Eine etwas weiter entfernte Rauchwolke markierte die Stelle, wo der Shuttlehafen der Stadt lag. Zwei weitere stiegen über den Vorstädten auf.
Die Angreifer gingen gründlich vor, beabsichtigten aber offensichtlich nicht, alles zu zerstören. Wäre das der Fall gewesen, hätte Mallory vorhin in der Werkstatt nicht mehrere Explosionen gehört, sondern nur eine einzige: Die Explosion der Atombombe, die die ganze Stadt ausgelöscht hätte. Doch die Stadt stand noch … auch wenn sie lichterloh brannte. Mallory bezweifelte nicht, dass die unbekannten Angreifer solche Massenvernichtungswaffen besaßen oder zumindest herstellen konnten. Jede fortschrittliche Intelligenz, die es bis in den Plusraum schaffen wollte, musste dazu zunächst die Atomphysik meistern. Man konnte die Elemente des Plusraums nicht manipulieren, solange man den Normalraum nicht erschöpfend erforscht hatte.
Worauf waren die Angreifer aus? Was wollten sie? Wenn sie nicht alles zerstören wollten, musste es irgendetwas geben, das sie unversehrt wissen wollten. Mallory fiel nichts ein, was sich ein Invasor nicht durch Gewaltandrohung hätte aneignen können. Die einzige Erklärung, beschloss er, bestand darin, dass die Angreifer ihre Identität geheim halten wollten. Aufgrund dessen, was Mallory von seinem Haus aus sah, und aufgrund der Tatsache, dass die planetaren Kommunikationssysteme zusammengebrochen waren, kam ihm diese Erklärung mit jeder Sekunde plausibler vor. Er bezweifelte nicht, dass die Minusraum-Signalstation in der Nähe des Shuttlehafens zu den ersten Angriffszielen gehört hatte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es auch der anderen Signalstation in Chagos Downs nicht anders ergangen.
Falls ja, wussten die fremden
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