Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
Vom Netzwerk:
wandten sie sich nicht bergab in Richtung des Ortes, sondern folgten einem Pfad, der weiter nach Westen am Hang entlang in den Wald führte. Anais erkannte die Umgebung auch im Dunkeln wieder, jeden einzelnen Baum; sie waren früher so oft hier gewesen.
    »Experimentiert?«, fragte sie. »Du weißt, wie das klingt, oder?«
    »Der Bruder der unheilbaren Patientin wird paranoid und gibt anderen die Schuld an etwas, das einfach nur Schicksal war. Falsche Zeit und falscher Ort.«
    »Entschuldige, so hab ich das nicht   –«
    »Ist schon in Ordnung.« Er klang nicht wütend, nur ein wenig erschöpft. »Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Ich lebe einfach schon zu lange hier. Die Leute mögen mich, jedenfalls die meisten. Ich könnte ihnen erzählen, ich hätte draußen im Fluss den weißen Hai gesehen, und die Hälfte würde nicken, nur weil sie mich gut leiden können. Die andere Hälfte würde abwinken und sich wieder um ihren Kram kümmern. So ist es auch mit dem Institut. Ich könnte Gott weiß was darüber in die Welt setzen, und was bekäme ich dafür? Nicht einmal Ärger oder Widerspruch. Nur Gleichgültigkeit. So sind die Leute hier.«
    »Du meinst, keiner nimmt das ernst?«
    »Du doch auch nicht.«
    »Das hab ich nicht gesagt. Ich konnte Theodora nicht ausstehen, die Polizei hat sogar mein Alibi überprüft.«
    »Meins auch«, sagte er mit einem Lächeln. »Nicht, dass du noch auf falsche Gedanken kommst.«
    Die Wolken waren aufgerissen, graues Mondlicht fiel durch die Zweige.
    »Wenn du Experimente sagst, dann meinst du, dass sie neue Medikamente an Nele und den anderen ausprobiert hat?«
    »Medikamente und Behandlungsmethoden. Ich hab erst später erfahren, dass einige der Mittel noch gar nicht zugelassen waren.«
    »Haben sie Nele denn geholfen?«
    »O ja.«
    »Aber warum   –«
    »Und dann wurde sie abhängig davon«, fiel er ihr ins Wort, als sie eine Kreuzung zweier Waldwege passierten. »Glaub mir, ich hab’s bei anderen Ärzten mit ihr versucht. Aber die Einzige, die ihr den Schmerz nehmen konnte, war deine Stiefmutter. Sie hat Nele alle paar Tage abholen lassen, und dann blieb sie für eine Nacht im Institut. Am nächsten Tag brachten die sie wieder zurück, und es ging ihr eine Weile lang besser.«
    »Ist das nicht die Hauptsache?«
    »Ich hab verlangt, dass sie Neles Akten herausgibt, weil ich glaube, dass sie ihr zu geringe Dosen verabreicht hat   – nur damit sie regelmäßig ins Institut gebracht werden muss. Es war, als hätte deine Stiefmutter es darauf angelegt, dass die Schmerzen immer wieder zurückkehrten. Sie wollte Nele dort oben bei sich haben, am liebsten sieben Tage die Woche, aber das hab ich nicht zugelassen. Nele war und ist in meiner Nähe am glücklichsten. Um nichts in der Welt hätte ich sie auf Dauer ins Institut abgeschoben. Aber sie durfte ihre Spritzen nur dort bekommen, obwohl ich das ebenso gut hätte erledigen können. Das war reine Schikane. Und Nele hatte darunter zu leiden.«
    Hatte er sie deshalb nach dem Essen den Berg hinaufgefahren? »Was willst du von mir, Sebastian?« Sie packte ihn am Unterarm und zwang ihn stehen zu bleiben. »Das Essen, dieser Spaziergang, sogar dass ich Neles Schreie hören sollte   – dafür gibt es doch einen Grund, oder?«
    »Hilf mir«, sagte er leise.
    »In zwei Tagen bin ich hier weg.«
    »Mehr Zeit brauchen wir nicht.«
    »Wozu?«
    »Hilf mir dabei, an Neles Akten ranzukommen. Ich muss wissen, was sie ihr da oben im Institut verabreichen, damitsie das Gleiche anderswo in größeren Mengen bekommen kann.«
    »Ich soll ihre Unterlagen stehlen?«
    »Dein Vater erbt Theodoras Anteil am Institut, oder? Und damit hast du jetzt eine Verfügungsgewalt.«
    »Einen Scheiß hab ich!«, entgegnete sie zornig. »Theodora ist gerade mal ein paar Tage tot. Hast du eine Ahnung, wie lange dieser ganze rechtliche Kram dauert? Und auch nur dann, wenn es Sternberg nicht einfällt, dagegen vorzugehen, wovon ich keineswegs überzeugt bin. Ich an seiner Stelle würde mir nicht von jemandem wie mir in die Suppe spucken lassen. Es würde mich nicht wundern, wenn er noch irgendein Papier aus dem Ärmel zaubert, in dem Theodora ihm ihre Anteile überschrieben hat. Dann wird es Klagen geben und Gegenklagen, vorausgesetzt, mir läge überhaupt was daran. Das alles kann Jahre dauern, und selbst dann könnte ich nicht einfach dort reinspazieren und in Patientenunterlagen wühlen. Ich bin keine Ärztin, ich unterliege keiner Schweigepflicht.«
    Seine Stimme

Weitere Kostenlose Bücher