Klang des Verbotenen
seltsamere Tiere.
Nun, das macht ja Sinn: Der Pavillon ist die Mitte der Welt, diese muss am schönsten sein und deshalb wunderbar verziert. »Zumindest ist er die Mitte meiner Welt; dies ist mein Reich!«, sprach sie laut.
Und damals, als König Carlos V. darin speiste, er, der mächtigste König, den es je gegeben hat, da drehte sich die Erde sicherlich um seinen goldenen Becher genau in der Mitte des Pavillons, und der Wein ruhte darin unerschütterlich wie Wachs.
Da ist also alles verkleidet. Man sitzt wie auf dem Rand einer großen holländischen Porzellanschüssel. Nach außen hin aber, in die Welt hinaus, werden die Azulejos weniger. In die gepflasterten Wege, die vom Pavillon wegführen, hinüber zum Brunnen des Mercurio zum Beispiel oder zum Labyrinth, da sind sie noch überschaubar eingefügt: Jeder zehnte Stein ist eine Kachel, dann jeder zwanzigste, jeder hundertste und dann nur noch jeder tausendste.
Bis sie ganz selten werden, bis man sie lange, lange suchen muss. Dieses Spiel spielte sie gerne, auch jetzt noch, da die Kinderzeit entschwunden war – nun, beinahe jedenfalls.
Und die Motive auf den Kacheln, die Muster fransen aus und werden unvorhersehbar. Ist, nehmen wir einmal an, zunächst jedes dritte Bild ein Pferd, so wird die Anordnung von der Mitte weg immer unregelmäßiger, bis sie gänzlich zufällig ist – du kannst nicht mehr wissen, was als Nächstes kommt, ein Pferd oder ein Delfin oder ein Sternenmuster, ein Affe, etwas Undefinierbares, eine Blume, eine kleine Burg, wer weiß? Und nicht nur das, auch die Motive selbst – doch eigentlich jeweils mit demselben Stempel gepresst – schwellen, schrumpfen, verdrehen sich, das Pferd wird zum Drachen oder zum Kentaur, ihm wachsen zusätzliche Arme, Augen oder Beine … Seltsam, nicht wahr?
Und irgendwo, ganz weit draußen, versteckt, vielleicht im Gehölz oder auf einer überwucherten Terrasse, da gibt es eine einzige Kachel, auf welcher der Teufel zu sehen ist.
Mit angenehmem Schauder zerteilte sie oftmals die Sträucher oder bog Büsche zur Seite, immer in Erwartung, jene Azulejo mit dem schwarz glänzenden Abbild des Leibhaftigen wiederzufinden, auf die sie als ganz, ganz kleines Mädchen einmal gestoßen war – da täuschte sie sich doch nicht? – und wovon sie immer noch ab und zu träumte und dann schweißgebadet erwachte, war sie doch zu allem Unglück auch noch mittendrauf getreten!
Ob der Teufel genauso streng ist wie der Herrgott und Todsünden auch nicht vergisst? Und wenn ich bei ihm eine Todsünde begehe, komme ich dann für immer in den Himmel? Was sage ich denn da! Ich muss dem Monseñor beichten.
Als plötzlich das Cembalo im Salon erklang, sprang sie auf und eilte zurück in den Palast. Der Meister war da, Zeit für die nächste Stunde!
Lässig kritzelte Domingo ein paar Kadenzen und Triller auf die Klaviatur.
Die Töne raschelten und schmolzen sogleich in der Wärme des Nachmittags. Escarlati saß im güldenen Licht der Frühlingssonne, die durch das Gitter hereindrang, zusammen mit Vogelschreien und Luft.
Für dieses Licht hat man das Cembalo erschaffen, davon wird es durchleuchtet und sozusagen transparent gemacht; die Klänge der Saiten sind dann ebenso gelb wie die Strahlen der Sonne, und die Malereien im Inneren des hochgestellten Deckels beginnen zu leben: Elfen schweben über eine ideale Landschaft, in der nur geliebt und niemals gehasst wird. Der Feen leichte und durchsichtige Gewänder erzittern im Geprassel der Arpeggien.
Wirklich nur für dieses Licht? Der Meister war grüblerisch und zweifelte, suchte eine neue, andere Welt in diesem Instrument der grellen Farben.
Eines Tages, dachte er, da werde ich mein Instrument anders bemalen lassen, schwarz und feuerrot, die Elfen werde ich ausstreichen, übertünchen mit einem Reigen aus Dämonen und Teufeln, Krebsen und Kraken aus der Tiefsee. – Warum muss man beim Spielen immer diese hübschen und harmlosen Kleidchen und Beinchen und Brüstchen vor sich haben?
Er schloss die Augen und schlug tiefere Töne an. Die Arabesken wurden nun abgelöst durch ein schwieriges Kunststück überkreuzender Hände, dem die Augen nur würden folgen können, wären sie unabhängig voneinander beweglich wie die eines Chamäleons. Ruckartig wie die Wasserläufer auf dem Brunnen bewegte er seine Hände, um die Wege zwischen Bass und Diskant möglichst schnell zurückzulegen.
Als die Prinzessin auf einmal neben ihm stand, ihre Notenhefte schon unter dem Arm, und als ihr
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