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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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hinausgetreten, den er schon kannte. Er betrat die nächstgelegene Bar, die nur aus einem langen Tresen bestand, bestellte sich ein Glas Fino und probierte eine grüne Olive. Sie war groß und bitter. Den Stein spuckte er auf den Boden.
    Er lugte in die Küche. In einer tiefen Pfanne brieten eine Handvoll Vögel. Der Koch rüttelte am Griff des Eisengeschirrs und schüttelte sie durcheinander wie Bälle beim Glücksspiel auf dem Jahrmarkt.
    »Wollt Ihr davon? Mir läuft ja selbst das Wasser im Mund zusammen«, rief er, während er einen Becher Wein über die kleinen Leiber schüttete, sodass es zischte. »Duftet das nicht unvergleichlich?«
    »O nein, durchaus vergleichlich«, murmelte Escarlati und schüttelte dankend den Kopf.
    Der Geruch, jener Pesthauch, der den Übertritt vom Leben zum Tod begleitet – zumindest, wenn man verbrannt wird: Da war er wieder und brachte Domingos Albtraum zurück.
    Was für ein Land. Hier isst und trinkt der wackere Mann im Stehen – und stirbt auch so.
    Escarlati dachte an den unbekannten Toten, sah im Geist vor sich, was er damals durch das Fenster des Palastes nicht hatte erblicken können: eine Silhouette im Büßergewand mit rotem, spitzem und unglaublich langem Hut, dem Schandzeichen der Ketzer, sah den Mann aufrecht stehen, stolz und doch schon nicht mehr er selbst vor Angst, die Hände hinter Körper und Balken miteinander verschnürt.
    Was hat der Arme verbrochen?
    Gott gelästert.
    Was ist das?
    Hat ihm nicht Gott selbst die Stimme, die Zunge, die Lunge, ja die Gedanken geschaffen? Und schuf er nicht sogar die Luft, die seine Lästerungen weitertrug? Und Ohren? Ach ja, der freie Wille …
    So einfach ist das? Ein gefährlicher Gedanke stieg in Domingo auf, wollte formuliert werden, doch wie? – Am ehesten so: Das ist doch eine Falle!
    Was mag der Tote Verbotenes gesagt haben?
    Halt. Hier: nicht weiterdenken! Besonders nicht in Spanien.
    Die Vögel hoppelten noch in der Pfanne umher, vom Löffel des Kochs im Kreis gejagt. An den Flügelstummeln hingen Reste von Flaum. Wie durch einen Vergrößerungskristall sah Escarlati die Federn sich zischend krümmen, braun werden und zusammenschnurren, bis nichts mehr von ihnen übrig war außer dem Gestank von Haar und Horn.
    »Deine Küche hat mir den Appetit verdorben. Und die Laune«, brummte Escarlati, doch der Koch hörte ihn nicht.
    Japón riss den Meister aus seinen düsteren Gedanken. Auch er war aus der Unbefleckten Jungfrau gekommen, hatte Domingo entdeckt, winkte ihm zu und überquerte den Platz, übrigens Heilige Empfängnis genannt, was die Freudenmädchen, deren nächtliche Arbeitsstätte sich hier befand, gar nicht gerne hörten.
    »Ein neuer Treffpunkt«, sagte Japón. »Das ist schön. Abwechslung tut gut. Hunger?«
    Escarlati schüttelte den Kopf. Noch war ihm übel. Andererseits hatte er seit dem Vormittag nichts gegessen und spürte, wie sein Appetit sich regte.
    Japón gab dem Wirt ein Zeichen, dieser deutete auf die Vögel, welche nun nicht mehr brutzelten, sondern in einer Schüssel aufgehäuft waren, doch der Japaner verneinte. »Was gibt’s noch?«, fragte er. Der Koch verschwand in seiner Vorratskammer und kehrte bald mit einer weiteren Schale zurück.
    »Das ist mein Blut. Sehr zu empfehlen«, sagte er in grotesker Verzerrung des heiligen Abendmahles und stellte einen Teller mit grauen, in Öl und Kräuter ruhenden Würfeln auf die Theke. »Sangre«, Blut also, gekocht und nichts weiter, eine Spezialität, an die sich Domingo schon gewöhnt hatte. Ja, mittlerweile schätzte er diese Haufen aus eigenartig staubig-körnigen Kuben und fühlte sich, als äße er Kraft. Warum sollte man auch die Flüssigkeit, mit der Gott seine Wesen bis zum Rand gefüllt hat, einfach wegschütten?
    »Inzwischen esse ich hier alles«, sagte Escarlati, »außer gebratenem Fleisch. Davon wird mir schlecht.«
    Der Wirt richtete auf zwei Tellern je ein Häufchen der essbaren Bauklötze an, bestreute sie mit Salz und Pfeffer, legte einige Brotscheiben dazu und wünschte guten Appetit.
    »Genießbar. Das kannte ich noch nicht«, sagte Japón, nachdem er einen der Würfel zwischen Daumen und Zeigefinger genommen, leicht gedrückt, wobei sich die Kanten nach außen bogen, und dann heruntergeschluckt hatte. »Essbare Geometrie.«
    Während sich die beiden über das Blut beugten, näherte sich ein Dritter, trat von hinten zwischen sie und legte ihnen je eine Hand auf die Schulter.
    »Das riecht aber gut«, sagte Curro und schnipste mit

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