Klappohrkatze auf Reisen
beweist: Das Glück ist mit den Dummen.
Als einer der nächsten Punkte stand auf der Tagesordnung, sich mit den regionalen Winzern vertraut zu machen. Nach einigen Wochen stießen wir auf eine Winzerei, nur rund fünfzehn Minuten von unserem Haus entfernt, wo ein regionaler Côte Ventoux verkauft wurde. Monsieur Bonnelly et Fils. Monsieur Bonnelly war ein Mann von etwa achtzig Jahren. Während wir seinen köstlichen 89er Rotwein verkosteten, kamen wir ins Gespräch.
»Was machen Sie beruflich?«, wollte er wissen, während er Norton streichelte. Als ich ihm sagte, ich sei Schriftsteller und habe tatsächlich ein Buch über genau jene Katze geschrieben, die er gerade streichelte, fragte er, ob ich jemals von einem Monsieur Beckay gehört hätte. Ich schüttelte den Kopf, und er sah mich mit schreckgeweiteten Augen an. »Beckay?!«, brüllte er. »Sie haben noch nie von Samuel Beckay gehört?!!« Schließlich begriff ich, dass wir ein Ausspracheproblem hatten. Samuel Beckett war derjenige, von dem die Rede war, und als er sich beruhigt hatte, sagte ich, ja, doch, von Monsieur Beckett hätte ich gehört.
»Er hat immer seinen Wein hier gekauft«, sagte Bonnelly. »Vor dem Krieg. Als er an Warten auf Godot arbeitete. Er lebte im Rousillon und kam jeden Mittwoch zu uns. Er kaufte immer drei Flaschen Roten und flirtete mit meiner Frau. Sie sah damals noch viel besser aus.«
Monsieur Bonnelly holte eine zerfledderte Ausgabe von En attendant Godot hervor. Beckett kaufte nicht nur seinen Wein hier, er schrieb auch darüber. Mitten in der französischen Ausgabe des Stücks sagt einer der beiden Landstreicher tatsächlich:
»Gehen wir zu Bonnelly und holen Wein.«
Da Beckett für mich ein Gott ist, meiner Meinung nach der größte Schriftsteller des Jahrhunderts und Autor des großen englischen Romans (eigentlich einer Romantrilogie: Molloy , Malone stirbt und Der Namenlose ), fand ich das ziemlich beeindruckend. Von inspirierend ganz zu schweigen. Angefeuert vom Geiste Godots kauften wir Monsieur Bonnelly etliche Weinflaschen mehr ab, als wir ursprünglich vorgehabt hatten. Und als wir gingen, rief Monsieur Bonnelly uns hinterher:
»Vielleicht kann ich in zwanzig Jahren den Leuten sagen, dass auch Monsieur Norton seinen Wein bei mir gekauft hat.«
Weshalb dieses Buch beinahe den Titel Miauen nach Godot bekommen hätte.
Zwei weitere interessante Menschen, die Norton für sich gewann, waren Gianni Ladu und seine Frau Chantal, sardische Ziegenzüchter, die oben in den Bergen über Sivergues eine auberge führten. Gianni war ein waschechter Sarde, das heißt, er trug immer einen Dreitagebart und tat nichts lieber, als vor unseren Augen eine Ziege aufzuschlitzen und zu häuten. Das konnte etwas einschüchternd wirken, wenn man gerade ein Gespräch anfangen wollte, aber Norton schien Gianni ein bisschen weicher zu machen. Er trieb sich gerne auf Giannis Anwesen herum – mischte sich zwar nicht gerade unter die Ziegen, machte aber auch keinen allzu großen Bogen um sie. Norton schien vom Blöken und Meckern dieser Tiere fasziniert, und ich gewann den Eindruck, er hätte eigentlich ganz gerne einen Tagesausflug ins Gebirge mit ihnen gemacht. Gianni hatte in seinem Leben schon so manches gesehen, aber noch nie eine Katze in seinem Restaurant, schon gar keine, die mit seiner Herde abhing. Das Restaurant war normalerweise völlig ausgebucht – sie servierten einigen wenigen Auserwählten die Mahlzeiten an langen Tischen in einem uralten Raum aus Steinen und Holzbalken –, aber wenn ich anrief, um einen Tisch zu reservieren, fragte er:
»Kommt die Katze mit?«
Wenn ich Nein sagte, hatten wir höchstens eine Fifty-Fifty-Chance auf einen Platz. Wenn ich einwilligte, Norton mitzubringen, sagte Gianni meist etwas wie:
»Okay. Es ist alles voll – aber für euch und die Katze haben wir Platz.«
Dann saßen wir oben im Gebirge und aßen eine ganze gebratene Ziege (Norton machte es aus irgendeinem Grund nichts aus, dass einer seiner Kumpel direkt vor seinen Augen verzehrt wurde), Chantals hausgemachte Lasagne und ihren frischen Ziegenkäse und tranken viel zu viel von Giannis hausgebranntem eau de vie . Nach jeder Menge Ziege und Schnaps spielte Giannis dreizehnjähriger Sohn, David, meist für die Gäste auf seiner elektrischen Gitarre irgendwelchen trommelfellerschütternden Hendrix, was für Norton etwas nervenaufreibend war. Davon abgesehen war es der perfekte Ort für eine Katze, sich ganz als rustikale, französische Berg
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