Klappohrkatze auf Reisen
nicht durch die laute Menschenmenge, nicht durch den riesigen Bernhardiner, der fast den ganzen Abend unter seinem Stuhl lag, und nicht durch die Gäste des Restaurants, die ab und zu herüberkamen und fragten, ob die Katze echt sei.
Kathy machte Norton das Leben sehr viel leichter – und mir sehr viel schwerer –, indem sie ihm die volle Star-Behandlung verpasste. Sie fütterte ihn aus der Hand und gab ihm etwas von ihrer Gänseleberpastete und anschließend von ihrem Huhn ab. Zum Dessert bestellte sie ihm einen Teller Schokoladeneis (es war dem im Bistro d’Albert haushoch überlegen). Als Digestif bestellte sie ihm Milch, und da er der schlampigste Milchschlürfer der Welt ist, wischte Kathy ihm sogar nach jedem Eintauchen in die Milchschale mit ihrer Serviette die Schnauze ab. Das schlug, was Janis anging, dem Fass den Boden aus. Noch Monate später beklagte sie sich lautstark, dass ihr nie jemand nach dem Essen den Mund abwischte. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass es vielleicht jemand täte, wenn sie sich herabließe, sich zu bücken und aus einem Schälchen zu essen, aber sie beherzigte meinen Rat nie, und vielleicht ist das auch besser so.
Am nächsten Tag waren wir alle leicht verkatert. Janis und ich von zu viel Wein und eau de vie , Norton von zu vielen Löffeln Gänseleberpastete. Wir waren ganz zufrieden, den Großteil des Vormittags in unserem roten Samtzimmer zu vertrödeln. Ich war ganz besonders zufrieden, weil es einen Fernseher im Zimmer gab und ich unten in Goult unter Sportentzug litt. Zu Janis’ Entsetzen sah ich mir auf einem englischen Kabelsender ein Pistons-Pacers-Basketballspiel an, und dann bewies ich zu ihrem noch größeren Entsetzen, wie sehr ich den Sport wirklich vermisste, indem ich mir fast ein komplettes Wrestling-Duell zwischen Hulk Hogan und The Undertaker anschaute. Die einzige Unterbrechung bestand darin, dass zwei Zimmermädchen an die Tür klopften. Janis sagte ihnen, wir wären in einer guten Stunde aus der Tür, aber sie waren nicht zum Saubermachen gekommen – sie waren da, um sich Norton vorzustellen und mit ihm zu spielen. Wir sagten ihnen, wir würden ihn am Nachmittag im Zimmer lassen, damit sie nach Herzenslust mit ihm spielen konnten.
Am Abend war das Thanksgiving-Dinner bei Linda und Nicholas. Ich glaube, es war Nortons erstes offizielles Thanksgiving (zu Kathleen und Dominick kam er nie mit, weil sie zwei Katzen haben, Lulu und Zonker, die kätzische Mitbewerber beim alljährlichen Scharadespielen gar nicht gut finden). Die Zwillinge, Naomi und Gala, hießen ihn herzlich willkommen. Sie hatten kleine Tischkarten für alle gemacht. Sie malten ein Bild von mir und setzten es vor meinem Teller auf den Tisch. Für Janis und ihre Mom und ihren Dad ebenso. Für Norton malten sie ein hinreißendes Bild von ihm, komplett mit Klappohren, und setzten es direkt neben meinem Stuhl auf den Boden, dazu eine Schale, die zufällig die perfekte Größe für mundgerechte Stückchen Truthahnfleisch hatte.
Das Dinner war ein großer Erfolg. In Paris konnte man Ende November nicht nur gemästete Truthähne bekommen, sondern auch alles andere, was man für die Füllung brauchte, dazu Süßkartoffeln und Kartoffelbrei und all die anderen Thanksgiving-Leckereien.
Als das Wochenende zu Ende ging, hatten wir das Gefühl, genau die Dosis Heimat bekommen zu haben, die wir gebraucht hatten. Norton fühlte sich, als hätte er eine neue Heimat, denn als wir aus dem L’Hôtel auscheckten, kamen, glaube ich, sämtliche Angestellten, um sich von ihm zu verabschieden und ihm bonne chance zu wünschen.
***
Norton, Janis und ich hatten die nächsten paar Wochen für uns, und wir setzten unsere provenzalischen Erkundungen und auch unser provenzalisches Ritual, uns bei jeder Gelegenheit vollzustopfen, fort. Und dann, genau zur Weihnachtszeit, begann ein neues Ritual: Die ersten Besucher trafen ein.
Unsere ersten Gäste waren – und fangen Sie jetzt nicht an zu tratschen, es war ein strikt platonisches Arrangement – mein Freund Norm Stiles, der Sesamstraße -Experte, und meine Freundin und Agentin Esther Newberg, die berüchtigt für ihre Ausgefallenheit ist. Weder Norm noch Esther waren jemals in der Provence gewesen, und wir waren entschlossen, ihnen zu zeigen, wie perfekt das Leben sein konnte.
Es war nicht so schwer, wie wir gedacht hatten.
Wie sich herausstellte, ist es nicht schwer, Leute zu überzeugen, dass das Leben perfekt ist – nicht, wenn sie zu Weihnachten in Goult
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