Klappohrkatze auf Reisen
unternahmen wir schon ein paar Wochen nach unserer Ankunft in Frankreich. Wir fuhren nach Nizza, um unsere Freunde, die Douglas’, zu besuchen, und statt am nächsten Morgen umzukehren und nach Hause zu fahren, wagten wir uns zwanzig Minuten weiter fort und fuhren zum Lunch nach Italien.
Sobald man die Grenze überquert, ist alles anders. Die Franzosen pflanzen in geraden, ordentlichen Reihen. Ihre Weinberge sind aufgeräumt und perfekt gestutzt. In Italien ist nichts gerade oder ordentlich. Fünf Minuten hinter der französischen Grenze ist der Käse völlig anders, die Gemüse sind anders, die ganze Lebensart ist wie von einem anderen Planeten.
Wir hatten immer Schwierigkeiten, das unseren Freunden in Goult zu erklären. Die hielten uns meist für verrückt, wenn wir ihnen erzählten, dass wir zum Lunch nach Italien oder übers Wochenende nach Barcelona fuhren. Auf solch eine Idee würden sie nie kommen. Wir erklärten ihnen immer, dass man in Amerika drei Tage am Stück fahren kann und sich immer noch im selben Land und in derselben Kultur befindet. Wenn man in Goult losfährt und drei Tage am Stück fährt, landet man in einer völlig neuen Welt.
Also hüpften wir zum Lunch gelegentlich rüber in die Grenzstadt Ventimiglia, meist in die ristorantes La Caravella (am Wasser) oder Cuneo (mitten in der Stadt; sehr nah an jenem Markt, wo Norton sich weigerte, eine Sardine zu verdrücken). Im Cuneo waren die Inhaber, Beraudo und Figli, besonders nett zu Norton. Am Ende unseres ersten Besuches stand fest, dass er nach Belieben durchs Restaurant streifen durfte; was ihres war, war auch seins. Ich werde wohl nie erfahren, wie oder warum Katzen ihre Lieblingsplätze aussuchen, aber sie suchen sie defintiv aus, und im Cuneo war Nortons Lieblingsplatz unter einem großen, üppig geschnitzten hölzernen Geschirrschrank. Dort aß er, und dort blieb er, bis wir unseren Chianti bis auf den letzten Tropfen geleert hatten.
Als wir das erste Mal einen Ausflug nach Italien machten, erwartete uns zu Hause in Goult eine kleine Überraschung.
Wir brachen bald nach dem Lunch aus Ventimiglia auf, so gegen halb vier, und kamen um sechs Uhr abends in Goult an. Als wir in den Ort einfuhren, erschraken wir ein bisschen, als wir sahen, dass rund zweihundertfünfzig Menschen – etwa ein Viertel der Einwohnerschaft – durch die Straßen marschierten, hoch, kreuz und quer, mit der Salle des Fêtes als Ausgangs- und Endpunkt (wörtlich übersetzt der Festsaal, aber eigentlich der Versammlungsraum des Ortes, wo alles stattfindet von politischen Gesprächsrunden bis zum allwöchentlichen Bingofestival). Und als wäre es nicht schon seltsam genug, die ganze Stadt auf den Beinen vorzufinden, wurden sie von zwanzig Typen angeführt, die alle angezogen waren wie Richard Burton am Ende von Beckett . Sie hatten rot-grüne Gewänder und spitze Hüte an und trugen religiös aussehende Insignien und Halsketten. Und als ob das noch nicht genug wäre, blieben sie ungefähr alle drei Meter stehen und bliesen nach Art der Herolde in lange Trompeten. Jedes Mal, wenn sie stehen blieben und bliesen, brach die ganze Stadt in wilden Jubel aus.
Selbstverständlich stellten wir den Wagen ab und schlossen uns der Menge an, neugierig, was eigentlich los war. Ich nahm an, Goult hätte die französische Version der World Series gewonnen oder es sei Brigitte Bardots Geburtstag, was dort drüben doch bestimmt ein Nationalfeiertag ist. Wie sich herausstellte, lag ich doppelt falsch. Die Typen in den rot-grünen Gewändern waren die Winzerbruderschaft (diese religiösen Halsketten waren, wie sich herausstellte, weder religiös noch Halsketten: Es waren silberne Weinprobierbecher), und dies war der alljährliche Marsch zur Feier des neuen Jahrgangs des Côtes du Ventoux. Und sie marschierten auch nicht einfach so. Sie lockten den gesamten Ort in die Salle des Fêtes und schenkten umsonst Rosé, Rot- und Weißwein an jeden aus, der probieren wollte. Wir folgten der Parade von Anfang bis Ende, gingen in die Salle des Fêtes, tranken hochzufrieden unseren Wein, schüttelten den albern aussehenden Typen in den Gewändern die Hand (es gab auch zwei albern aussehende Frauen in Gewändern, um zu zeigen, wie fortschrittlich die Franzosen sind), dann gingen wir nach Hause und fragten uns, ob das jedes Mal passieren würde, wenn wir für einen Tag nach Italien fuhren.
Tat es nicht. Aber das hielt uns nicht davon ab wegzufahren. Und wir wagten uns mehrmals weiter als bis
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