Klappohrkatze auf Reisen
hatten und sich zum Gehen erhoben, zögerte er und kam dann an unseren Tisch. Er sagte etwas auf Italienisch zu mir, und als ich ihm bedeutete, dass ich ihn nicht verstand, fragte er, ob ich französisch spräche. Als ich nickte, sagte er mit größtmöglicher Feierlichkeit:
»Votre chat, monsieur. Il est très sage.«
(Ihre Katze, mein Herr. Sie ist sehr weise.)
Ja, stimmte ich zu. Das hatte ich schon einmal gehört. Sehr weise. Und der Mann, zufrieden mit seiner Ehrbekundung, drehte sich um und verließ das Restaurant.
Wir kehrten erschöpft ins Hotel zurück, nachdem wir jeden Zentimeter von Lucca zu Fuß erforscht hatten (Norton lag schon lange vor der Rückkehr ins Hotel in seiner Schultertasche und schlief tief und fest). Als wir eintraten, stand der Besitzer und Restaurierer hinter dem Empfangstisch. Er war ein freundlicher Typ, und als wir um unseren Schlüssel baten, fing er ein Gespräch an, fragte uns, was wir den ganzen Tag gemacht hätten usw. Als wir uns gerade die Treppe zu unserem Zimmer hochschleppen wollten, hielt er uns aus irgendeinem Grunde auf und sprach die magischen Worte:
»Möchten Sie etwas essen?«
Ich weiß nicht, wie er auf diese Frage kam. Vielleicht lag es an der Pasta, die mir mehrere Stunden nach dem Lunch immer noch aus dem Mund hing. Vielleicht sahen wir einfach so hager und ausgehungert aus (na ja, zumindest ausgehungert). Jedenfalls leuchteten seine Augen, als ich sagte, ja, wir würden nicht nur gern etwas essen, meine Mutter sei außerdem zu Hause in den Vereinigten Staaten eine relativ bekannte Köchin und Kochbuchautorin.
Unser neuer bester Freund geriet in unglaubliche Aufregung.
»Wo wollten Sie heute Abend essen?«, fragte er, und als ich es ihm sagte, schüttelte er den Kopf und sagte:
»No, no, no.« Dann hielt er inne und fragte: »Mögen Sie Trüffel?«
Wir sahen einander an, zuckten die Schultern und meinten: »Klar.« (Übrigens verlief dieses Gespräch nicht so glatt, wie es sich liest – unser neuer Kumpel sprach kein Wort Englisch; wir einigten uns auf eine ziemlich holprige Version des Französischen.)
»Ich kümmere mich um Sie«, verkündete er und ging sofort zum Telefon, wählte, wartete ein paar Sekunden, sprach dann einige Sekunden schnell auf Italienisch und legte auf. Er wandte sich stolz an uns und sagte: »Ich habe das beste Restaurant in der Region angerufen, ihnen gesagt, dass ein berühmter Küchenchef kommt und dass sie ein Meisterstück für Sie zubereiten sollen!« Dann bestand er darauf, dass wir eine Stunde vorm Dinner herunterkämen, weil er uns einen Drink und Käse servieren wolle.
Nach einem kurzen Nickerchen trafen wir uns mit unserem neuen Beschützer wieder in der Lobby. Er brachte uns nach unten in seine private Bar, im cave des Hotels, wo er uns als Aperitif einen eisgekühlten regionalen Wein einschenkte. Nur für den Fall, dass wir in dem Restaurant, in das er uns schickte, nicht genug zu essen bekämen, schnitt er uns außerdem ein paar Stücke frischen Parmesan und hausgemachte Wurst ab (die nach Nortons Meinung das Köstlichste war, das er je verzehrt hatte).
Unser Gastgeber, Giuseppe, hatte dünnes weißblondes Haar, eine dicke Brille mit schwarzem Gestell und trug einen schwarzen Rollkragenpullover. Er sah aus wie ein Arbeiter; seine Hände waren rau und kräftig, wenn er einem auf den Rücken klopfte (wozu er neigte) oder einem freundschaftlich die Hand drückte. Er war extrem energiegeladen und sprühte vor Leben und Lust (ich bin mir ziemlich sicher, dass er der lieben alten Mom ein- oder zweimal zuzwinkerte). Außerdem redete er gern und erzählte uns seine gesamte Lebensgeschichte. Er sprach französisch, weil er das in der Schule gelernt hatte. Während des Studiums hatte sein Lehrer ihm den Namen eines Mädchens in Paris genannt – einer Gräfin. Sie schrieben sich (angeblich um die Sprache zu üben), und er verliebte sich und pendelte achtzehn Jahre zwischen Rom und Paris, um sie zu sehen. (Was nach diesen achtzehn Jahren passierte, weiß ich nicht. An dieser Stelle in der Geschichte konnte ich an nichts anderes mehr denken als daran, wie köstlich dieser Käse war, und ich konzentrierte mich darauf, so viel wie möglich davon zu essen, bevor wir ins Restaurant aufbrechen mussten.) Er hatte früher ein modernes Hotel auf Elba geführt und dann beschlossen, in die Toskana zu ziehen, wo er dreieinhalb Jahre lang die Villa S. Michele renovierte (sie war erst seit wenigen Monaten eröffnet, als wir zufällig
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