Klappohrkatze auf Reisen
seinen unvergesslichen Namen bekam. Sie wussten auch nicht, wer Oscar aus der Mülltonne war. Dafür wussten sie, wer Willie Mays war, und ich fühlte mich gleich etwas besser. Von den italienischen, deutschen oder schwedischen Übersetzern hörte ich nichts, woraus ich schließe, dass man in all diesen Ländern per Katalog bei Victoria’s Secret bestellt.
Die holländische Verlegerin lud uns ein, zum Erscheinungstermin in den Niederlanden aus der Provence anzureisen. In Amsterdam – wo Norton die Stadt im Sturm eroberte, als wir mit Polanski dort waren – machte meine Katze genau da weiter, wo sie aufgehört hatte.
An dem Nachmittag, als wir ankamen, gab die Verlegerin, eine hinreißende Frau namens Hanca Leppink, die den Verlag Luitingh Sijthoff führte (keine Sorge: auch ich kann das nicht einmal annähernd aussprechen), für Norton in ihrem Konferenzsaal eine Party. Das gesamte Personal erschien, um De kat die naar Parijs gin die Hand (oder Pfote) zu schütteln. Die Menschen tranken alle Champagner und verputzten holländische Hors d’œuvres, während der Star der Party, eine gewisse Scottish Fold, mitten im Raum saß und seinen eigenen, speziellen Teller mit Hering verputzte, während der gesamte Verlag ihn abwechselnd streichelte.
Nach der Party führten Hanca und ein paar andere Leute aus dem Büro Janis, Norton und mich zum Dinner aus. Norton, immer noch ein bisschen voll von all dem rohen Hering, nahm gerade mal ein Häppchen von seinem Anteil der rijstaffel , genoss den Abend aber ungeheuer.
Die nächsten zwei Tage in Amsterdam vergingen mit Interviews und Fototerminen für holländische und belgische Zeitungen und Zeitschriften. Die Interviews wiesen eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den amerikanischen Interviews auf, die wir geführt hatten – mit einer Ausnahme. Eine Frage gab es, um die sich alle Amerikaner drückten. Aber absolut jeder holländische Journalist brachte die Frage zur Sprache:
Sie wollten wissen, was ich tun würde, wenn Norton starb.
Die Frage und das Thema erschreckten mich so sehr, dass ich mich bei der Antwort das erste Mal durch einen Haufen völligen Blödsinn stammelte und stotterte. Als die Sache das dritte oder vierte Mal zur Sprache kam, war ich zumindest gefasst, brachte aber nie eine irgendwie befriedigende, geschweige denn glatte Antwort heraus. Im Grunde sagte ich genau das, was ich empfand:
Dass das etwas war, womit ich nur sehr schwer umgehen konnte und womit ich mich bislang wohl noch nicht befassen musste. Die Chancen standen gut, dass Norton noch mindestens zehn Jahre leben würde. Wer weiß, was in zehn Jahren geschehen konnte? Wer weiß, ob ich in zehn Jahren noch leben würde?
Um ehrlich zu sein, Nortons Tod ist etwas, worüber ich nicht nachdenken kann. Ich weiß, es passiert auch den Besten von uns; ich habe das natürlich mit Menschen durchgemacht, mit denen, die mir am nächsten standen, denen, die ich am meisten liebte. Aber bei meiner Katze ist es irgendwie etwas anderes. Vielleicht liegt es daran, dass es keine explizite Sprache gibt, mit der man Liebe oder Trauer direkt kommunizieren kann. Wenn ein Elternteil alt wird und stirbt, ist es leicht (außer man ist Brite), die Worte »Ich liebe dich« zu sagen. Und sobald diese Worte ausgesprochen sind, macht es alles weniger schwer, selbst den Schmerz des endgültigen Abschieds. Vielleicht lindert diese Art verbaler Kommunikation Schuldgefühle. Vielleicht ist es nur eine tröstliche Art, Gefühle herauszulassen. Aber bei einem Tier haben Worte keine Bedeutung. Hier zählen Taten (was mir, seltsam, da ich doch Autor bin, lieber ist. Ich traue Worten nicht wirklich. Sie lassen sich allzu einfach zur Manipulation benutzen.) In gewisser Weise ist es nicht möglich, einem Tier Trauer zu zeigen oder zu vermitteln. Und irgendwie wird es dadurch viel schwieriger, Trauer zu begreifen und in den Griff zu bekommen.
Dieses Gejammer hat eigentlich keinen Sinn, außer dass ich damit sagen will, dass ich mir seit meinem morbiden Verhör durch die Holländer sogar noch mehr Sorgen um Norton mache. Wenn irgendwann die Zeit kommt, ihm Lebewohl zu sagen, will ich sicher sein, dass er weiß, wie viel er mir bedeutet hat.
Ich werde ihm vielleicht nicht sagen können, dass ich ihn liebe, aber ich kann es ihm auf jeden Fall zeigen .
***
Unser kurzer Trip nach Amsterdam bleibt mir auch wegen einiger anderer unvergesslicher Momente im Gedächtnis. Ich weiß nicht, ob ich für diesen großen kulturellen Fortschritt
Weitere Kostenlose Bücher