Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
einmal abgesehen, die insgeheim gehofft hatte, dass endlich jemand anderes verstehen würde, was sie immer durchmachte.
Im nächsten Frühling war das Ziel die Ostküste von Maryland. Das war nicht mit einem langen Flug verbunden, also wurde Norton mit offenen Armen wieder in die Gruppe aufgenommen. (Kommen Sie schon, geben Sie’s zu. Sind Sie nicht beeindruckt, dass ich selbst nach all den Jahren die Putzigkeit nicht übertreibe und in fast jedem Absatz Sachen unterbringe, wie »mit offenen Pfoten aufgenommen«?) Ich will zwar nicht, dass sich meine Bücher wie Reisebeschreibungen lesen, aber manchmal sind geografische Schilderungen tatsächlich angebracht. Außerdem gehöre ich zu den Leuten, die, wenn sie etwas sehr mögen, auch wollen, dass andere es ebenso sehr mögen, also schwadroniere und schwärme ich immer reichlich. Und Norton und ich liebten diese Ecke von Maryland.
Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass man in Maryland im Frühling tatsächlich so viele Taschenkrebse essen kann, wie das Herz begehrt. Und mein Herz begehrt eine ganze Menge von diesen Viechern. Wenn Sie noch nie das Glück hatten, ein paar von diesen dicken Dingern zu verputzen, machen Sie Folgendes: Suchen Sie sich ein etwas heruntergekommen wirkendes Lokal mit langen Holztischen. Als Tischdecke dient in der Regel dickes Packpapier. Während Sie dort sitzen und mehrere Krüge kaltes Bier trinken oder Weißwein, falls Sie eher der zart besaitete Typ sind, bringen die Kellner Platten voller Taschenkrebse. Zu den Krebsen bekommt man einen kleinen Holzhammer (Messer und Gabeln sind nicht nur unnötig, sondern völlig nutzlos). Diese Krebse sind so stark gewürzt, wie man sich nur vorstellen kann, rot und pfeffrig und so scharf, dass mir jeder leidtut, der einen Kratzer am Finger hat oder an seiner Nagelhaut kaut, denn jede offene Wunde und jeder Kratzer fühlt sich an, als stünde er in Flammen. Bevor man sich über die Tiere hermacht, bekommt man erklärt, wie sie gegessen werden. Ohne diese Einweisung ist man zu Frust und Scheitern verurteilt, denn man hat am Ende viel Geld ausgegeben und vielleicht einen Teelöffel Krebsfleisch zu sich genommen. Wenn man aber den Ratschlägen folgt – diverse Teile des Krebses fachgerecht zu verdrehen, Teile behutsam auseinanderzubrechen, vorsichtig manche Teile von anderen zu trennen und dann mit dem Hammer so kräftig wie möglich auf alles draufzuhauen, damit man an das köstliche Fleisch kommt – dann wird man mit dem perfekten Dinner belohnt. Die meisten der Krebslokale, die ich in dieser Gegend besucht habe, verschmähen Gemüsebeilagen (noch ein Grund, Maryland zu lieben). Und viele servieren als Dessert Brownies und Eis mit heißer Karamellsauce. Es ist ausgesprochen himmlisch, besonders, wenn man eine Katze ist. Das Restaurant, das wir aufsuchten, lag direkt am Wasser und war herrlich verkommen. Norton kam zwar nicht besonders gut mit dem Hammer klar, dafür war er der reinste Teufel, wenn es darum ging, das Krebsfleisch wegzuschlabbern, mit dem ich ihn per Hand fütterte (und falls Sie vorhaben, das zu Hause nachzumachen, machen Sie es bitte wie ich: Wischen Sie die scharfe Soße möglichst komplett ab und entfernen Sie auch die kleinsten Panzerteilchen, bevor Sie Ihre Katze ans Fleisch lassen).
Die Stadt, die wir uns als Quartier ausgesucht hatten, war Chestertown, und es gibt nur noch wenige solcher Orte in Amerika. Er hat kaum über dreitausend Einwohner, und wenn man durch die Straßen flaniert, fühlt man sich wie auf einer Zeitreise in die Siebziger. Und nicht etwa die 1970er. Hier gibt es keine Plateausohlen und Discos. Ich rede von 1770 . Im Dorf herrschen koloniale und viktorianische Einflüsse vor. Wenn man spätnachts oder sehr früh am Morgen unterwegs ist, wenn keine Autos herumfahren, sich mitten auf die Brücke über den Fluss Chester stellt und auf Chestertown zurückblickt, sieht man absolut keine Ähnlichkeit mit der modernen Welt. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie der spätere Präsident der Vereinigten Staaten, Thomas Jefferson (oder, falls man Norton ist, Thomas Jeffersons Kater), die High Street hinunterschlendert auf dem Weg zu einer Gemeindeversammlung (oder auf der Suche nach Betsy Ross’ Katze).
Wir wohnten in einem entzückenden kleinen Hotel, was nicht schwierig ist, ist doch in Chestertown alles klein und entzückend. Norton eroberte wieder einmal die Herzen des Hotelpersonals und trieb sich ziemlich viel an der Rezeption herum. Unser
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