Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)

fanden wir das Lokal, und es war tatsächlich magisch. Vier Stunden Autofahrt, Zanken und Miauen waren sofort vergessen.
    Ein kurzer Exkurs über 700 Jahre Geschichte von Gangivecchio, denn ich finde es wichtig, Nortons Einfluss in einen gewissen historischen Kontext zu stellen:
    Im Jahr 1363 bekamen Benediktinermönche rund 650 Hektar Land geschenkt und begannen an der Stelle, wo sich das Dorf Gangi befunden hatte, ein Priorat zu bauen. Das Dorf existierte nicht mehr, weil es bei einer Schlacht im Jahr 1299 völlig zerstört worden war. Das Priorat wurde mit der Zeit zu einem eigenen kleinen Dorf, und ich glaube, die Mönche wussten, was sie taten, denn irgendwann wurde das Priorat in den Stand einer »Abtei« befördert.
    Nach dieser Beförderung passierten im Lauf der nächsten 450 Jahre viele ereignisreiche Dinge – Kriege, Invasionen, religiöse Aufstände, das übliche Zeug –, aber aus unserer Sicht ist der einzige relevante Punkt, dass 1856 ein gewisser Vincenzo Tornabene das kaufte, was mittlerweile die ehemalige Abtei hieß (und nur falls Sie glauben, dass dieses Buch nichts für Ihre Bildung tut, für alle Geschichtsignoranten da draußen: 1856, das war fünf Jahre, bevor Sizilien beschloss, sich mit Italien zu vereinen. Mal ganz ehrlich, Sie dachten doch auch, dass Sizilien immer zu Italien gehört hatte, nicht wahr?). Diverse Tornabenes erbten im Lauf der nächsten hundert Jahre den Besitz, bis Wanda Tornabene den Enkel von Vincenzo heiratete (der ebenfalls Vincenzo hieß; glauben Sie mir, ich habe Ihnen eine Menge Tornabenes erspart, die alle denselben Namen trugen). Wie viele reiche Landbesitzer Siziliens erlebte auch Wandas Vincenzo, der Enzo genannt wurde (ich nehme an, die Vorfahren der Tornabenes hatten dasselbe Problem wie ich, die vielen Leute mit demselben Namen auseinanderzuhalten), nach dem Zweiten Weltkrieg schwere Zeiten. Ende der 1970er-Jahre war ein Großteil seines Geldes weg, ebenso wie fast sechshundert Hektar der ehemaligen Abtei und ein Großteil der herrlichen Möbel. Dann trat Wanda auf den Plan. Sie brauchten Geld, sie hatte ein großes Talent – Kochen –, also war die Abtei nun ein Restaurant. Das Leben war nicht leicht, aber sie überlebten – und konnten das großartige Gebäude und den Rest des Grundstücks bewahren. 1980 lockte Wandas Küche so viele Sizilianer an, dass sie den Restaurantbereich erweitern und eine riesige Terrasse im ersten Stock überdachen mussten, um sie als Speisesaal zu nutzen. 1984 verstarb Enzo plötzlich, und Wanda und ihre Tochter Giovanna führten das Restaurant allein weiter.
    Und nun befinden wir uns im Jahr 1991. Auftritt dreier müder Reisender: zweier Menschen und einer Katze.
    Als wir endlich angekommen waren, hatten wir den besten Lunch unseres gesamten bisherigen Lebens. Das kann ich ganz ohne Übertreibung sagen. Wenn Sie es in allen Einzelheiten wissen wollen, wir saßen in dem langgestreckten Raum, der früher eine Terrasse im Westflügel der Abtei gewesen war, schauten über weite Wiesen mit herrlichem wildem Mohn, sahen diverse Tiere vorbeiziehen (darunter ein zahmes Wildschwein) und aßen die unglaublichste Pasta mit Pesto, die je erfunden wurde (eins der wesentlichen Geheimnisse ist die Beigabe von fünf verschiedenen Sorten gemahlener Kerne und Nüsse: Mandeln, Haselnüsse, Walnüsse, Pistazien und Pinienkerne), mit Schinken gefüllte Kalbfleischröllchen (» involtini « heißen die Dinger, die Sie bestellen müssen, falls Sie jemals das Glück haben sollten, es zum Lunch dorthin zu schaffen). Danach genossen wir ein köstliches Gebäck, mit süßer Creme gefüllte cannolis und sofficini , über die Sie gar nichts wissen wollen, weil Sie sonst vielleicht sämtliche Ersparnisse Ihres Lebens und Ihr Erstgeborenes opfern würden, nur um dort hinzufliegen und sich diese Gaumenfreuden in den Mund zu stecken (okay, wahrscheinlich wollen Sie doch etwas über dieses himmlische sofficini wissen, aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt: Sie bestehen aus einem frittierten Teig mit einer warmen Zitronencremefüllung. Ich sollte wohl erwähnen, dass zum Geschmack wie auch zum Cholesterinspiegel entscheidend beiträgt, dass sie nicht einfach frittiert, sondern in Schmalz frittiert werden. Meine ziemlich fordernde Freundin und Literaturagentin Esther hat tatsächlich gedroht, meinen nächsten Scheck vom Verlag erst herauszurücken, wenn ich gelernt habe, diese Dinger zu machen, und ihr welche bringe).
    Das Restaurant war an diesem