Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
größter Ausflug führte uns nach Annapolis, der perfekten Südstaaten-Hafenstadt – wunderschöne Reihenhäuser, wohlhabend genug, um gut erhalten zu sein, aber bodenständig genug, um echt zu wirken. Und sie besitzt eine der tollsten Universitäten des Landes, St. John’s, die einen der interessantesten Lehrpläne besitzt, den man sich vorstellen kann. Das macht man in den vier Jahren an St. John’s: Man liest und studiert die hundert besten Bücher aller Zeiten. Man bekommt eine Grundlage mit Plutarch und Aristoteles und Archimedes und arbeitet sich dann vor bis ins 20. Jahrhundert. Die brillante Idee, die dahintersteckt, ist die, dass man am Ende aller Lektüre und Diskussionen einen soliden Überblick darüber hat, wie die Welt genau so geworden ist, wie sie ist.
Manchmal – genauer gesagt meistens; immer häufiger, je älter ich werde – glaube ich, dass Katzen eine sehr viel bessere Vorstellung davon haben als wir, wie die Welt wirklich ist. Sie fressen, sie schlafen, sie suchen sich aus, wen sie lieben, und binden sich treu. Das ist für den Anfang nicht schlecht. Dazu kommt: Sie haben keine Angst, verletzlich zu sein, sie sind bereit, Freude zu machen und Freude zu empfangen, ohne Fragen zu stellen. Sie sind bemerkenswert selbstgenügsam, sie quälen sich nicht damit ab, gemocht zu werden, und sie werden es selten, wenn überhaupt, darauf anlegen, Schmerzen oder Traumata zuzufügen. Sie sind selbstsicher ohne das Bedürfnis, es zu zeigen, und sie sind gütig und haben keinerlei Bedürfnis nach Belohnung außer der, dass ihre Güte erwidert wird.
Ich frage mich häufig, wie anders die Welt wohl wäre, wenn Plutarch und Aristoteles und Archimedes Katzen gehabt hätten.
Sehr viel anders, glaube ich.
Und auch das glaube ich: sehr viel besser.
5. Kapitel
Die Katze, die noch einmal nach Paris reiste
N ortons Reisen beschränkten sich nicht auf die amerikanischen Küsten. Wann immer ich das Glück hatte, nach Europa zu reisen, war es keine Frage, dass er das Glück haben würde, mich zu begleiten. Und nur weil er nicht die Sprache des jeweiligen Landes beherrschte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht das Leben vieler Menschen verändern konnte.
In Sizilien krempelte er für eine der interessantesten und hinreißendsten Familien, denen ich je begegnet bin, das Leben vollständig und nachhaltig um.
Janis und ich reisten 1991 mit Norton zum ersten Mal nach Sizilien. Vor unserer Abreise – das war, als wir in Goult lebten, der himmlischsten aller provenzalischen Städte –, faxte uns unsere Freundin Nancy Alderman eine kleine Geschichte über ein Restaurant namens Gangivecchio in der Gebirgskette der Madonien. Es schien wie für mich gemacht: Ursprünglich war es im 14. Jahrhundert eine Abtei gewesen, lag mitten im Nirgendwo und war unmöglich zu finden, und angeblich gab es dort das beste Essen von ganz Sizilien. Nimmt man das alles zusammen, kommt man zu folgendem Ergebnis: Peter muss da essen.
Wir begannen unseren sizilianischen Aufenthalt in der touristischen, aber spektakulären Stadt Taormina (Nortons dortige Abenteuer, besonders seine Neigung, nach draußen auf ein Sims in mehreren hundert Metern Höhe zu entwischen und seinem liebenden Vater fast einen Herzinfarkt zu bescheren, sind hinreichend dokumentiert). An unserem zweiten Tag bestand ich darauf, dass wir uns auf die Suche nach dem magischen Restaurant machten, von dem wir gelesen hatten, also fuhren wir ins Landesinnere der Insel nach Gangivecchio. Oder wir versuchten vielmehr, dorthin zu fahren. Es war nicht so einfach, wie es klang (und dabei klang es ohnehin schon nicht einfach). Was zwei oder zweieinhalb Stunden hätte dauern sollen, dauerte vier. Die sizilianischen Straßen sind schmal, und wenn Ihnen nicht danach ist, blindlings einen langsam fahrenden Lastwagen auf einer kurvigen Bergstraße zu überholen, stehen die Chancen gut, im Durchschnitt mit dreißig Stundenkilometern unterwegs zu sein. Wir steckten nicht hinter einem Lastwagen fest – wir steckten hinter vier Lastwagen fest. Also fuhren wir nicht gerade im Höllentempo. Und dann verfuhren wir uns (ich erfinde in der Regel keine Ausreden für meinen beschämenden und grauenhaften Orientierungssinn – der einzige Mensch, der sich noch schlimmer verfahren kann als ich, ist Janis – aber die Wegbeschreibung enthielt Anweisungen wie »Wenn ihr an einem Baum vorbeikommt, der sich zu einem Y verzweigt, gegenüber von einer Kirche, biegt ihr links ab«). Schließlich
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