Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
ihn.« Aber es klang mehr nach »Ich lieeeeebe ihn.«) Ich nickte höflich, und als sie meinen ausdruckslosen Blick sah, sagte sie: »Wissen Sie nicht, wer das ist?«
Okay, hier muss ich abschweifen. Ich habe diesen fatalen Fehler. Na ja, ich weiß nicht, ob er fatal ist, aber er ist auf jeden Fall peinlich. Mein Problem ist, dass ich nie jemanden erkenne. Wirklich niemanden! Wenn ich jemanden dort sehe, wo er nicht hingehört, bin ich einfach mit Blindheit geschlagen. Um Ihnen zu demonstrieren, wie schlimm es ist: Vor einigen Jahren hatte ich ein Meeting mit einem Schauspieler. Wir waren ungefähr eine Dreiviertelstunde zusammen in meinem Büro, verstanden uns prima, und das war es dann – außer dass Janis, deren Büro damals direkt neben meinem lag, außer sich war, weil ich sie nicht vorgestellt hatte (wie übrigens auch alle anderen Frauen in der Firma). Zwei Tage nach dem Meeting (und einen Tag, nachdem Janis aufgehört hatte, mich anzuschreien) mussten wir geschäftlich nach L.A. Wir wohnten wie immer im Four Seasons, und wir stiegen in den Fahrstuhl, um in die Lobby hinunterzufahren. Der Fahrstuhl hielt ein Stockwerk unter unserem, und jemand stieg zu. Janis starrte ihn einen Augenblick an und sagte dann: »Oh, ich glaube, ihr kennt euch.« Der Typ sah mich an, lächelte und sagte: »Peter, was machst du denn hier?« Ich sah ihn absolut verständnislos an, bis ihm schließlich klar wurde, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wer er war. Wie sich herausstellte, war es der Schauspieler, mit dem ich mich in meinem Büro getroffen hatte, und er sagte: »Ich bin es. Mel … Mel Gibson.«
Überflüssig zu betonen, dass Janis mich am liebsten ermordet hätte. Aber die Wahrheit ist, irgendein Teil meines Gehirns kann einfach keine Leute erkennen oder sich ihre Namen merken. Egal, wer sie sind. Das liegt zum einen daran, glaube ich, dass ich mich eher auf Dinge konzentriere als auf Gesichtszüge. Ich weiß noch, wie wir eines Tages vor einem Kino auf der Upper East Side in der Schlange standen und ich zu meiner Begleiterin dieses Abends sagte: »Wow! Siehst du diesen Typen da mit dem schlechtesten Toupet der Welt?« Und ich weiß auch noch, wie sie sagte: »Meinst du Sir John Gielgud?«
Wie auch immer …
So eine mentale Blockade hatte ich eindeutig auch in Paris, denn als die Ladeninhaberin mich ungläubig anstarrte und fragte: »Wissen Sie nicht, wer das ist?«, sagte ich »Nein«, und sie schüttelte den Kopf und sagte: »Marcello Mastroianni!«
Das ganz besonders Erbärmliche daran ist, dass Marcello Mastroianni auf der Top-Ten-Liste meiner Lieblingsschauspieler aller Zeiten steht. Ungefähr alle anderthalb Jahre schaue ich mir La dolce vita an – den ich vermutlich zum tollsten Film aller Zeiten wählen würde – um meine geistige Gesundheit zu testen. Wenn ich maßlos deprimiert werde, und das ist meistens der Fall, wenn der Film zu Ende ist, da es sich um den absolut deprimierendsten Film handelt, den man sich vorstellen kann, denke ich mir, dass mit mir so ziemlich alles in Ordnung ist. Bevor mich meine Lieblingsladeninhaberin also noch erbärmlicher finden konnte, als ich es ohnehin schon bin, schoss ich auf die Straße hinaus – Norton schwankte wild auf meiner Schulter – und rannte, bis ich den Typen aus dem Geschäft eingeholt hatte. Ich rannte noch ungefähr zwanzig Schritte weiter, drehte mich dann um und ging, um Coolness bemüht, wieder in die Richtung, aus der ich gekommen war, schlenderte an ihm vorbei und sah ihm ins Gesicht. Keine Frage, es war Fellinis Lieblingsschauspieler. Und keine Frage, er erkannte mich wieder. War ich doch der Typ, den er gerade noch vor einigen Sekunden in dem Geschäft gesehen hatte und der sich mit einer Katze auf der Schulter mit ihm unterhalten hatte.
Ich sprach ihn nicht an, als wir aneinander vorbeigingen, ich vergewisserte mich nur, dass er der war, der er sein sollte, aber ich habe mich immer gefragt, was er sich wohl dachte, als er uns sah. Fragte er sich, wie zum Teufel ich so schnell dorthin gekommen war und ihm nun auch noch aus der entgegengesetzten Richtung entgegenkommen konnte? Oder warum zum Teufel ich so schnell dorthin gekommen war und ihm nun auch noch aus der entgegengesetzten Richtung entgegenkam?
Oder fragte er sich, ob es zwei bärtige Amerikaner gab, die durch die Straßen von Paris bummelten und sehr, sehr weise, brave und sophisticated Katzen auf der Schulter trugen …
6. Kapitel
Eine Katze im Ruhestand
I ch verbringe nicht
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