Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
werden. Das Kätzchen hatte es geschafft, dass mein betagter Herr herumhopste wie ein … na ja … wie ein junges Kätzchen. Seine neue ebenholzschwarze Freundin kam jeden Tag (bis heute weiß ich nicht, wo sie herkam), hing im Garten herum, streunte mit Norton durch die Büsche und ruhte sich an ihn gekuschelt in der Sonne aus. Ich glaube, Norton gefiel seine Mentorenrolle, denn oft sah ich ihn das Kätzchen ablecken (um sie zu waschen, nehme ich an, denn jeder andere Drang war ihm schon vor langer Zeit weggeschnippelt worden) oder zu bequemeren Schlummerplätzchen in unserem gepflasterten Patio schubsen. Ich sah das sehr gern, denn wenn mir überhaupt irgendetwas, das ich mit meiner Katze gemacht – oder nicht gemacht – habe, ein schlechtes Gewissen verursachte, dann war es der Umstand, dass ich zu egoistisch war, ihm eine zweite Katze zur Gesellschaft zu besorgen. Ich dachte immer, wenn Norton älter würde, weniger aktiv wäre und weniger Zeit auf Reisen und mehr Zeit zu Hause verbringen würde, dann müsse er einen Gefährten bekommen. Dann hätte er, wenn ich ein paar Tage wegführe, jemanden zur Gesellschaft. Und womöglich würde er sogar aufhören, sich am fünften Tag meiner Abwesenheit auf Janis’ Bett zu erleichtern (die andere, viel schrecklichere Alternative wäre natürlich die, dass Janis dann zwei Katzen hätte, die Häufchen auf ihr Bett machten; an diese Möglichkeit wollte ich nicht einmal denken). Aber in all den Jahren setzte ich diese Absicht nie in die Tat um. Wenn Sie es wirklich wissen wollen, mir war meine Beziehung zu Norton so wichtig, dass ich sie durch nichts beeinträchtigen wollte. Ja, mir ist klar, dass es eine ziemlich verrückte Vorstellung ist, dass man eifersüchtig auf eine zweite Katze ist, aber ich wäre es gewesen. Und ich glaube, dass Norton ebenso empfand. Ich wusste, dass ich nicht mit zwei Katzen reisen konnte, und ich beschloss, Norton würde lieber mit mir zusammen sein, als im trauten Heim mit einer anderen Katze abzuhängen. Unsere Beziehung, befand ich, sei stärker als eventuell benötigte artgerechte Bindungen. Aber unsere kleine schwarze Nachbarkatze nahm mir diese Sorgen. Ich musste keine andere Katze anschaffen, und Norton hatte eine feste Spielkameradin, mit der er alles tun konnte, bei dem ich normalerweise passte – vor allem Mäuse fangen, Schmetterlinge jagen und auf Bäume klettern.
Ich durchlief einen ähnlichen Prozess, um mich in Sag Harbor mit Spielgefährten zu versorgen.
Seit unserer Rückkehr aus der Provence verbrachte ich den gesamten Sommer von Juni bis Ende September draußen in meinem Refugium auf Long Island und bequemte mich nur im äußersten Notfall in die Stadt. Dafür gab es mehrere Gründe. Erstens kann ich dort wunderbar arbeiten, denn aus meinem Bürofenster schaue ich in unseren wunderschönen Garten (für den Janis absolut allein verantwortlich ist, abgesehen von meinem alljährlichen Beitrag, der darin besteht, ausgiebig zu jammern und dann unsere knapp über tausend Quadratmeter Garten umzugraben und dort mehrere Milliarden Tulpenzwiebeln zu pflanzen, für gewöhnlich im strömenden Regen), und ich genieße es, dort Stunde um Stunde vor meinem Computer zu hocken. Zweitens kann ich dort draußen tatsächlich allein oder vielmehr ohne menschliche Gesellschaft sein, und das ist etwas, was ich sehr schätze. In New York City hat man ständig mit Menschen zu tun, und in meinem Verlagsjob um so mehr. Der Vorteil daran ist, dass ich Autoren und Agenten und praktisch jeden, den ich interessant finde, in exzellente Restaurants ausführen kann. Der Nachteil ist, dass die meisten Autoren und Agenten ganz schön nervig sein können und dass die meisten Leute, die ich für interessant halte, sich als ziemlich langweilig erweisen, weil sie meist nur über sich reden wollen. Beim Schreiben habe ich ebenfalls viel mit Menschen zu tun, zumindest in der Stadt, weil ich mich dafür bei Studio- und Fernsehbossen einschleimen muss oder, um genauer zu sein, bei New Yorker Studio- und Fernsehbossen, die auf einer noch niedrigeren Evolutionsstufe stehen als ihre kalifornischen Kollegen, denn die meisten wären, wenn sie etwas taugen würden, längst in L.A. Kurz gesagt, wenn es nur nach mir ginge, wäre ich im Prinzip ein Einsiedler. Und Sag Harbor erlaubt mir die Illusion, wenn auch nur für einen Teil des Jahres, mich all dem entziehen zu können.
In den ersten Jahren verliefen meine Sommer dort nach folgendem Tagesablauf: aufwachen, eine oder
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