Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
fünfzehn Minuten dauert –, um zu sehen, was es Neues zu entdecken gab. Die Ruine ganz oben in der Stadt war wiederaufgebaut und in eine Windmühle verwandelt worden, wie sie es offensichtlich vor vielen Jahrhunderten gewesen war. Anscheinend hatte ein winziges neues Geschäft aufgemacht (und wenn ich winzig sage, meine ich winzig; der ganze Laden war kaum größer als zwei U-Bahn-Fahrkartenschalter zusammen), allerdings konnten wir, da es geschlossen war und wir uns nur die Nasen am Fenster plattdrücken konnten, nicht feststellen, was dort eigentlich verkauft wurde. Und das schien alles zu sein. Alles andere war so ziemlich wie immer.
Dachten wir.
Zu angemessener Stunde klopften wir bei unseren Freundinnen Anne und Hannah an (das Schöne an Goult ist, dass keiner mehr als dreißig Meter von den anderen entfernt wohnt: Annes Haus grenzte an unseren Garten, Sylvies Haus lag drei Meter von Annes entfernt auf der anderen Straßenseite. Danies Haus war fünf Meter von unserer Vordertür entfernt). Anne und Hannah ließen uns ein, machten uns Tee, stellten Norton einen Wassernapf hin, und dann begann Anne zu lamentieren, wie sehr sich Goult verändert habe.
»Was ist denn so anders?« fragte ich, ein bisschen verdutzt über die Tirade.
Ich bedauerte fast, dass ich gefragt hatte. Früher gab es zwei Restaurants in der Stadt – jetzt gab es drei (als wir zuerst dort hinkamen, gab es nur ein Restaurant, aber daran wollten wir sie nicht erinnern)! Patrick, der Wirt des ersten Restaurants, Le Tonneau, hatte über seinem Bistro ein »Bed and Breakfast« aufgemacht! Und schlimmer noch, der neue Laden, den wir mitten im Ort gesehen hatten, also, das war kein neuer Laden, es war ein kleines Besucherzentrum. Touristen konnten dort hingehen und Faxe abschicken oder nach Fremdenführern fragen oder … oder … oder … Anne konnte kaum weitersprechen, so regte sie sich auf.
»Goult, es ist genau wie Shee-cago!« sagte sie verzweifelt.
Wir versuchten ihr zu erklären, dass drei Touristen, die dort hingingen, um eine Landkarte zu kaufen, noch lange kein Chicago ergaben, aber ohne Erfolg. Sie war nicht zu überzeugen.
»Der richtige Maßstab«, sagte ich zu Norton, als wir nach Hause kamen. Er saß auf dem Schindeldach des Hauses, vor unserem Wohnzimmerfenster, seinem Lieblingshochsitz. »Den darf man nie aus den Augen verlieren«, erklärte ich ihm.
Wie ich ihn so in der provenzalischen Sonne lümmeln und über die Hügel des Luberon schauen sah, hatte ich das beruhigende Gefühl, dass Nortons Maßstäbe zu den Dingen gehörten, über deren Veränderung ich mir keine Sorgen machen musste.
Wenn wir um die Weihnachtszeit nach Goult zurückkehrten, versuchten wir meistens, einen oder zwei Tage in Paris zu verbringen. Janis und ich lieben Paris und erleben immer eine wunderschöne Zeit dort, aber niemand hat es je so geliebt wie Norton.
Wenn wir in die Stadt der Lichter kamen, begleitete er uns überallhin: zum Frühstück, zum Lunch, zum Dinner, auf unseren Streifzügen durch die Straßen. Die Leute blieben häufig stehen, um mit ihm zu plaudern, und er wurde sogar ein paarmal erkannt. In Restaurants wurde er fürstlich bewirtet (mit Milch statt Wein), und er war immer bereit, sich in jedem perfekt gepflegten Park oder tierfreundlichen Café zu Hause zu fühlen.
Einmal gingen Janis und ich auf der rue Jacob und kreuz und quer in all den kleinen Straßen im sechsten arondissement shoppen, in denen es von Antiquitätengeschäften nur so wimmelt, und wir einigten uns darauf, getrennt loszuziehen (schlauerweise in der Hoffnung, Weihnachtsgeschenke in letzter Minute für den anderen zu finden). Norton ging natürlich mit mir, gemütlich in seine Schultertasche gekuschelt. Wir machten Stippvisiten in mehreren Läden und kamen dann zu einem, den ich besonders mochte und im Lauf der Jahre häufig besucht hatte. Katze und ich traten ein, nicht nur, weil diese Frau wunderschöne Sachen hatte, sondern weil sie sehr freundlich war und in all den Jahren immer, wenn sie mich sah, so langsam französisch sprach, dass wir ein einigermaßen vernünftiges Gespräch führen konnten. Nichts tat ich lieber, als so zu tun, als spräche ich französisch, und sie war so nett, mir meine Illusion zu lassen. Ich erinnerte mich, dass ich ihr bei meinem letzten Besuch erzählt hatte, dass wir in Goult gelebt hatten, und sie kannte die Stadt gut, sie hatte Verwandte in der Nähe. Und als sie mich dieses Mal erblickte, leuchteten ihre Augen auf. (Ich
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