Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
setzte ihn wieder auf den Tisch.
Und er hüpfte direkt wieder hinunter.
Diese Nummer zogen wir ungefähr zehnmal durch, bis ich ihn schließlich zum Bleiben bewegte. Ich sagte dauernd zu Janis: »Siehst du? Das ist ein gutes Zeichen. Er fühlt sich so gut, dass er seine Infusion nicht mal will . Und guck mal, wie er herumrennt. Das ist sehr, sehr gut.« Und sie antwortete mir jedes Mal: »Okay, es ist gut. Aber es wäre sogar noch besser, wenn du es irgendwann in den nächsten vierundzwanzig Stunden schaffst, damit wir mit unserem Leben weitermachen können.«
Jetzt war ich so weit. Norton war auf dem Tisch, entspannt, allerdings immer noch mit leicht zweifelndem Blick. Der Beutel war aufgehängt (es ging mir durch den Kopf, dass die Flüssigkeit womöglich mittlerweile abgekühlt war, aber ich beschloss, Norton und ich könnten damit beim ersten Mal leben), und alles, was ich noch brauchte, war die Nadel.
Ich hatte eine ganze Tasche voller Nadeln. Der Teil der Sache gefiel mir. Er gab mir das Gefühl, als würde ich mit den Typen von den Stone Temple Pilots abhängen. Sie wissen schon, diese coolen Grungemusiker aus Kalifornien. Die Arzthelferin in Turetskys Praxis hatte mir Nadeln gegeben, die eine grüne Schutzkappe hatten, und andere, die pinkfarbene Kappen hatten. Die grünen Nadeln waren dick, die pinkfarbenen dünn. Die Arzthelferin hatte mir empfohlen, es zunächst mit den pinkfarbenen zu versuchen, damit ginge es leichter. Es dauere damit zwar länger, bis die Flüssigkeit in Norton eindringe, aber das Einstechen würde leichter fallen. Also wühlte ich in der Tasche und zog eine Nadel mit pinker Schutzkappe heraus. Ich führte sie ins Schlauchende ein, genau wie es mir Turetsky gezeigt hatte, drehte die pinkfarbene Schutzhappe ab, und voilà ! Ich war so weit. Der Beutel hing bereit, die Nadel lag frei und in meiner Hand bereit zum Einstechen. Alles, was ich tun musste, war … es tun. Die Nadel einstechen, den Schalter am Schlauch betätigen, der die Flüssigkeitszufuhr startete und stoppte, die Nadel herausziehen, die Katze streicheln, so schnell wie möglich eine ganze Flasche Wein trinken (letzteres war mein eigener Beitrag zu Turetskys Anweisungslitanei; zu diesem Zeitpunkt hatte ich es definitiv nötig).
Ich gab mir alle Mühe, um einen kleinen Wulst von Nortons Haut zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger einer Hand zusammenzudrücken, wie man es mir gezeigt hatte. Mit der anderen Hand brachte ich die Nadel langsam näher an ihn heran. Ich merkte, dass ich kaum schlucken konnte, so trocken war mein Hals. Ich konnte nur noch denken: Was, wenn ich ihm weh tue? Mein Grundsatz im Umgang mit Norton war, dass ich lieber sterben würde, als ihm weh zu tun. Aber sie hatten mir gesagt, es würde nicht weh tun. Tatsächlich schien es nicht weh zu tun, wenn sogar Turetsky es machen durfte. Norton hatte bei der Prozedur eher gelangweilt ausgesehen. Und wenn Turetsky es also geschafft hatte, dann konnte ich es auch schaffen. Stimmt’s?
Sicher.
Ich piekste meine Katze mit der Nadel im Wissen, dass jetzt alles glatt laufen würde. Außer dass er in der Sekunde, als ich ihn berührte, zurückzuckte.
In der Sekunde, in der er zurückzuckte, zog ich die Hand zurück, vor lauter Angst, ich könnte etwas Schlimmes gemacht haben. Und in der Sekunde, als ich die Hand zurückzog, sprang er vom Tisch.
Da stand ich mit der Nadel in der Hand, ohne Katze, und irgendwie spritzte die Flüssigkeit aus dem Beutel jetzt über meinen ganzen Esstisch. Ich sah eher aus wie ein Feuerwehrmann, der einen Brand löscht, nicht wie ein besorgter Tierbesitzer, der das simpelste aller Manöver an einer nicht sonderlich fitten Katze durchzuziehen versucht.
Ich betätigte den kleinen Schalter am Schlauch – den ich irgendwie berührt hatte, als ich zurückzuckte – und schaffte es, die sprudelnde Flüssigkeit zu stoppen. Dann stand ich vom Tisch auf und holte meine Katze erneut. Wieder setzte ich sie auf den Tisch, und wieder legte sich Norton hin – allerdings war er definitiv nicht mehr so entspannt wie vorhin. Und ich natürlich auch nicht. Tatsächlich klopfte mein Herz so heftig, dass ich mir einigermaßen sicher war, mitten in einer Herzattacke zu stecken. Ich konnte hören, wie Janis äußerst mühsam ein Kichern unterdrückte, und ich beschloss, okay, das war’s, ich mache es definitiv …
Die Nadel ging rein.
Und wieder raus.
Und bevor ich mich recht versah, war alles voller Blut. Ich versuchte mehrmals, das Ding in
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