Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
extrem nette Frau um die fünfzig kam schüchtern nach vorn, als der größte Ansturm vorbei war. Sie warf mir kurz einen Blick zu, starrte dann liebevoll auf Sie-wissen-schon-wen und sagte: »Ich bin über vierhundert Meilen gefahren, um ihn zu sehen.« Ihr Tonfall war sogar noch ehrerbietiger als ihre Worte. Es wirkte fast so, als sähe sie die Vorderseite eines Kühlschranks in einem Wohnmobil, wo das Fett ein Abbild der Jungfrau Maria erkennen lässt. Es war so rührend, wie viel sie für meine Katze empfand, dass ich sie ein paar Minuten mit dem Star des Abends allein ließ, der ebenfalls extrem nett war und während ihres Geplauders zufrieden schnurrte. Ich weiß nicht, worüber sie plauschten – und ich glaube, ich will es gar nicht wissen –, aber ich kann mit Gewissheit sagen, dass die Dame ganz und gar nicht enttäuscht war. Danach bedankte sie sich bei Norton, war so aufmerksam, sich auch bei mir zu bedanken, und fuhr dann vermutlich die ganzen vierhundert Meilen wieder nach Hause.
Zufällig wohnten damals gute Freunde von mir in Knoxville, Lee und Linda Eisenberg. Linda ist eine attraktive, liebe, entzückende Frau, und alle lieben sie. Lee ist einen Hauch zynischer. Und neurotisch. Und seltsam. Und … na ja, sagen wir einfach, dass abgesehen von seinen nächsten Angehörigen ungefähr drei Leute Lee lieben. Zum Glück bin ich einer davon. Die beiden sind eigentlich New Yorker und glauben daher, dass sie schon so ziemlich alles erlebt haben. Aber selbst sie waren verblüfft von dem, was sie an diesem Abend sahen und hörten. Lee, der viel Zeit mit Norton verbracht hatte, bevor der Katzenruhm zuschlug, war von der Begeisterung seiner Fans ein wenig verstört. Er war mit Norton in New York ausgegangen und auch in Florida (auf unserem alljährlichen Trip zum Frühjahrs-Baseballtraining), und ich glaube, er fühlte sich ein bisschen, als sei er mit Norma Jeane Baker ausgegangen, bevor sie zu Marilyn Monroe wurde – es war toll gewesen, aber wer konnte ahnen, dass es so toll war? Nach der Veranstaltung fuhren wir in das paradiesische Haus meiner Freunde, wo Linda das Dinner zubereitete. Ich glaube, sie war überrascht, dass Norton nach der ganzen Vergötterung, die er von seinem anbetenden Publikum erfahren hatte, beschloss, sich wieder in eine normale Katze zurückzuverwandeln und nicht mit uns am Tisch zu essen, sondern aus einem Napf auf dem Boden. Ich muss zugeben, ich war selbst erstaunt.
Nach dem köstlichen Essen fuhr Lee mich und Norton wieder in unser Hotel zurück. Wir wurden abgesetzt – Lee schüttelte immer noch den Kopf und sah Norton an, als hätte er ihn nie zuvor gesehen – und wollten auf unser Zimmer gehen. Als wir an der Rezeption vorbeikamen, zögerte die Frau hinter dem Tresen kurz und rief dann: »Mr. Norton?« Ich dachte sofort, jetzt käme der nächste Alptraum, dem ich mich stellen musste, um mein Ego intakt zu halten – dass jemand mich mit dem Namen meiner Katze anredete –, aber tatsächlich redete sie gar nicht mit mir. Sie wandte sich direkt an denjenigen von uns mit den Klappohren. Das begriff ich, als ich zu ihr ging und gerade sagen wollte: »Also, eigentlich heiße ich Gethers« – und bemerkte, dass sie mich überhaupt nicht anschaute. Sie streckte die Hand aus, um Norton in seiner Tasche zu streicheln, und sagte, wobei sie ihm tief in die Augen blickte: »Ich bin ein großer Fan. Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut, dass ich nicht zu deiner Lesung kommen konnte. Ich musste arbeiten.« Ich wartete – und wie immer rechnete ich beinahe damit, dass Norton antwortete und sagte: »Ach, schon gut, meine Liebe. Magst du vielleicht auf einen Happen Trockenfutter zu mir in die Tasche kommen?« –, aber er sah nur hoch und ließ ein kräftiges Schnurren hören, als ihre Hand sein weiches Fell streifte. Das schien der Dame am Empfang jedoch zu genügen; ihr Gesicht hatte einen Ausdruck, den ich persönlich noch nie bei einer Frau hervorzaubern konnte, ohne ihr ein Flugticket in die Karibik zu schenken.
In Tennessee machten wir noch einmal Station – in Memphis. Zum einen wegen der Lesetour, zum anderen, weil eine Zeitung, die New York Daily News , mich gebeten hatte, einen Artikel über meine Reisen mit Norton zu schreiben. Als die Redakteurin anrief, fragte sie wortwörtlich, ob Norton einen Artikel für die Zeitung schreiben könne. Als ich geklärt hatte, dass das kein Witz war, erklärte ich ihr die ganze Sache mit den opponierbaren Daumen, und
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