Klar sehen und doch hoffen
bekanntgegeben. Unsere Division soll in Verbindungmit den anderen, nach Erzwingung des Bugübergangs und Durchbrechung der feindlichen Befestigungslinien, in Gewaltmärschen auf Moskau vorstoßen. Die Verproviantierung der Truppe soll ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung aus dem Gebiet selbst gewonnen werden, da man wahrscheinlich vom Nachschub abgeschnitten wird. Heute Nacht sollen wir in das Dorf, dessen Kirchturm man vom Waldrand aus sehen kann, abrücken. Eine Schule wird der Ort unseres ersten Hauptverbandplatzes sein. In dieser Nacht soll der erste Stukaangriff auf die russischen Linien erfolgen. Die letzte Post geht heute fort. Wer weiß, wann sich wieder einmal die Gelegenheit zum Schreiben bietet. An Mutter und Anne habe ich ganz knapp geschrieben und sie auf die Ereignisse vorbereitet, von denen die beiden wohl schon wissen werden, wenn mein Brief sie erreicht.
Sonntag, 22. 6. 1941
Um 12 Abmarsch des zweiten Zuges zur Schule Zablorie. Da die Gefahr des Ari-Beschusses besteht, ziehen wir uns an den Dorfrand zurück. Unsere Wagen stehen in einem Kornfeld neben einem Bauernhof. Bis ½ 3 im Wagen geschlafen. Punkt 3.15 beginnt das Arifeuer. Im Nordosten steigen bald große Rauchwolken auf. Von der Antwort der russ. Ari nichts zu bemerken. So gehen wir, nachdem gegen 4 h unsere Geschütze schweigen, zur Schule und richten HVP ein. 6 h erste Verwundete. Im ganzen kommen 87 Verwundete, darunter 2 Russen. Staunend und neugierig wird der erste Russe betrachtet. Junger Kerl, asiatischer Typ, sehr schlechte, zerlumpte und geflickte Uniform. Unsere Schützen sind beim Vorgehen auf zähen Widerstand gestoßen. Die meisten Verletzungen kommen auf die Baumschützen. Besonders ein Scharfschütze in einem Bunker, soll, nach Aussagen der Verwundeten, allein ca. 12 Tote und viele Verwundete gemacht haben. Selbst Patz konnte ihn nicht erledigen. Granatsplitterverletzungen durch eigene Artillerie standen an zweiter Stelle. Bis abends ½ 9 wird pausenlos gearbeitet.
Montag, 23. 6. 1941
½ 4 Wecken. Die restlichen Schwerverwundeten werden abtransportiert. HVP aufgelöst. Heute ist Ruhetag …
26. 6. 1941
Am Nachmittag kam ein Panjewägelchen. Ein Ukrainer aus Sbunice, jenseits des Bug, brachte auf Heu eine traurige Last. Auf Heu hatte er zwei seiner 6 Kinder liegen. Die Gesichtszüge aller drei zeigten nichts Slawisches. Man hätte den Alten für einen Professor halten können, der älteste Junge hatte, nach dem Vater artend, scharfe feine Gesichtszüge, wunderbare blaue Augen. Der Kleine wurde operiert, beim Großen kam jede Hilfe zu spät (Gasbrand). Er wollte weiter in ein Hospital. Ich redete ihm das aus. So fuhr er dann in sein Dorf zurück, um erst den Tod des Ältesten abzuwarten.
29. 6. 1941
Wir gingen einige Schritte in den Wald, da sahen wir die Schützenlöcher, da lagen die Russen, wie sie gefallen waren. Bleckend zeigten die im Tod verzerrten Gesichter ihre blendenden Zähne. Ein Schütze hockte mit aufgepflanztem Bajonett zum Sprunge gekrümmt in seinem Loch, als wollte er im nächsten Augenblick herausspringen. Eine Handgranate hatte ihm Kopf und Gesäß zerrissen. Im Nebenloch lag ein anderer vollkommen verbrannt, dass man Mühe hatte zu erkennen, wo Gesicht und wo Beine waren. Auch auf der Straße längs lagen die Russen noch unbeerdigt. Von der Stadt Sluzk stehen nur noch Kamine, nur wenige Häuser, darunter das Rathaus, sind unbeschädigt. Und vor dem Rathaus steht ein überlebensgroßes Denkmal Lenins auf einem hohen Podest.
Freitag, 13. 2. 1942
Am Morgen wurde noch ein Befehl verlesen, der zum verschärften Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung mahnt. Sie soll mehr Furchtvor den deutschen Soldaten bekommen als vor den Russen + Partisanen. Dörfer, wo sich Partisanen zeigen, sollen ausgerottet werden, Mann, Weib + Kind. Die letzte Kuh, das Saatgetreide, alles kann geholt werden. Es ist kein ritterlicher Kampf, es ist Vernichtungskrieg in seiner blutigsten Form.
Faschingsdienstag, 17. 2. 1942
Wir gehen auf Quartiersuche. Kein Haus unbelegt. Nur eine elende Hütte, die letzte in dieser Richtung. Andere Richtung im Dorf, auch alles belegt. Nur eine verfallene, windschiefe Hütte ist frei. Kalt und leer. Nur eine Frau liegt stöhnend auf dem Ofen. Wir gehen erst mal weiter. Kommen aber wieder zurück, ohne etwas gefunden zu haben. Sachen rübergeschafft – Pferd in den gegenüberliegenden Schuppen. Die Alte wird merkwürdig lebendig, als wir draußen rumstöbern. Sie versuchte uns
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