Klara Fall, der Lakritzräuber und ich
wir uns aber morgen das Gassigehen mit Zottelpoldi sparen, oder?“
„Wie kommst du denn darauf?“ Klara schüttelte energisch den Kopf. „Wir machen natürlich beides!“
Das hatte ich schon befürchtet …
5
Also trabte ich am nächsten Morgen erneut mit Klara zu unserem Verdächtigen, um dessen verrückten Hund zum vereinbarten Morgenläufchen abzuholen. Der gute Mischa zeigte sich diesmal eine Spur freundlicher. Anscheinend hatte er mittlerweile geschnallt, dass es nicht klug war, es sich mit uns zu verderben. Schließlich nahmen wir ihm ohne jede Gegenleistung die morgendliche Gassirunde mit seinem Hund ab, während er selbst fröhlich weiterpennen konnte. Denn es sah nicht so aus, als würde er zurzeit irgendeinem festen Job nachgehen.
Zottelpoldi nahm es mir nicht krumm, dass ich ihn am Vortag so schmählich mit Klara im Stich gelassen hatte. Er umkreiste mich schwanzwedelnd und sprang an mir hoch. Offensichtlich hatte er zwischenzeitlich irgendein Kraftfutter vertilgt, denn er erreichte aus dem Stand fast meine Nase. Klara sah sich das Schauspiel interessiert an.
„Jetzt tu doch mal was!“, verlangte ich.
„Was denn?“, rief sie verschnupft. „Der Hund mag dich eben lieber als mich! Da kann man nichts machen!“
Irrte ich mich oder hatte das ein bisschen beleidigt geklungen? Ich warf Klara einen unauffälligen Seitenblick zu.
Sie hatte ihre Hände tief in den Taschen ihrer Jeans vergraben und starrte düster vor sich hin. „Ich hatte mal zwei Meerschweinchen“, sagte sie schließlich. „Die mochten mich auch nicht!“
„Haben sie dir das so direkt gesagt?“, ulkte ich. Aber schon im nächsten Moment schämte ich mich für meine überflüssige Bemerkung. „Entschuldige, das war dämlich! Also, im Ernst: Woran hast du denn gemerkt, dass sie dich nicht mochten?“
Klara mied noch immer meinen Blick. „Sie sind gestorben! Ich hatte sie zusammen mit Mama ausgesucht. Wir haben uns immer gemeinsam um sie gekümmert, mit ihnen gespielt und so. Und als Mama uns verlassen hat, also, als sie nach Frankreich zurückgegangen ist, da sind sie gestorben.“
„Direkt danach?“
„Nee“, Klara schüttelte den Kopf, „so zwei, drei Monate später. Ich allein reichte ihnen einfach nicht.“
„Bestimmt waren sie einfach alt“, sagte ich, „oder krank. Du, in meiner Klasse hatten auch jede Menge Leute Meerschweinchen oder Hamster oder so. Und ständig gab’s Geheule, weil morgens wieder eins tot im Käfig gelegen hatte, einfach so.“
Klara schniefte. „Echt?“
„Echt!“, versicherte ich. „Eins nach dem anderen! Diese Viecher sind total anfällig.“
Ich beugte mich hinunter, um Zottelpoldis Zotteln zu kraulen. Klara sollte nicht merken, dass ich sie angeschwindelt hatte. Mein Fachwissen über die Sterblichkeit von Meerschweinchen beschränkte sich bislang auf einen einzigen Fall. Aber das musste Klara ja nicht unbedingt wissen. Sie wirkte tatsächlich ein bisschen getröstet. Das allein zählte.
„Was denkst du? Können wir Poldi nicht mal von der Leine lassen?“, fragte Klara nach einer Weile.
„Lieber nicht“, meinte ich. „Stell dir vor, der haut uns ab! Ich möchte nicht erleben, dass dieser Mischa sauer wird …“ Ich dachte an den Hockeyschläger, von dem der Tankstellenpächter erzählt hatte.
Klara grinste. „Ich glaube zwar nicht, dass sich Poldi freiwillig von deiner leckeren Nase entfernt, aber du hast Recht: Wir lassen es lieber nicht drauf ankommen.“
Als wir mit Zottelpoldi den Rückweg antraten, sah ich OskarBenniSamRamon im Hof hocken. Anscheinend traten die Vier tatsächlich nur im Rudel auf. Benni, der Lange, pfiff durch die Zähne. „Hohoho, Klara! Ist der Neue etwa dein neuer Fall …?“
Allein für die Art und Weise, wie er das Wort Fall betonte, hätte man ihm schon eins auf die Nase hauen müssen. Seine Kumpels grölten.
Klara zog mich weiter. „Beachte sie gar nicht!“
Ich spürte, dass mir heiß wurde. Ein sicheres Indiz dafür, dass meine Birne gerade knallrot anlief. Warum musste ich OskarBenniSamRamon ausgerechnet in Begleitung von Klara und Zottelpoldi wiedertreffen?! Wahrscheinlich war ich bei den Jungs jetzt endgültig unten durch! So ein Mist! Sooo viele Jungs in meinem Alter schien es hier ja nicht zu geben.
Klara warf mir einen Seitenblick zu. „Wenn du lieber mit dem Chaosquartett abhängen willst, sag’s nur!“ Anscheinend war ihr mein Unbehagen nicht entgangen.
„Quatsch!“ Ich nahm Klara Zottelpoldis Leine aus der
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