Klassentreffen (German Edition)
wünschte, es hätte in meinem Leben auch jemanden gegeben, über den ich so etwas sagen könnte.« Meike seufzte. »Am Anfang dachte ich, in Thomas diese große Liebe gefunden zu haben. Aber das war ein Irrtum.«
»Es ist doch noch nicht zu spät.« Franzi sah auf, geradewegs in Meikes Augen. Ihre Blicke trafen sich, hielten sich fest. Franzis Herz hämmerte laut in ihrem Brustkorb. In ihren Ohren rauschte es. Alles um sie herum verschwamm. Sie schluckte. Nein, es war noch nicht zu spät – weder für Meike noch für sie. In diesem Moment war sich Franzi ganz sicher, dass sie sich in Meike verliebt hatte.
Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Wollen wir weitergehen?«
»Ja.« Meike setzte sich langsam in Bewegung.
Dieses Mal war es Franzi, die sich bei Meike unterhakte. »Meike«, nahm sie nach kurzer Zeit das Gespräch wieder auf. Ihre Augen suchten den Boden nach Unebenheiten ab; sie wagte nicht, Meike direkt anzusehen. »Ich denke, wir müssen noch einmal über Samstag reden.« Sie presste die Luft aus ihrer Lunge. Dies war der eigentliche Grund, warum sie Meike hatte wiedersehen wollen. Sie konnte nicht davor weglaufen, auch wenn es die einfachste Lösung gewesen wäre.
»Du hast recht.« Meikes Stimme klang vorsichtig.
»Es war kein Zufall, dass das passiert ist . . . Dass wir uns geküsst haben, meine ich.« Franzi senkte die Stimme. »Meike, ich mag dich. Sehr sogar. Vielleicht mehr, als es für eine Freundin üblich ist . . . Ich hatte keine Ahnung, dass diese Gefühle nach all den Jahren noch vorhanden sind. Und . . . und es verwirrt mich. Ich . . .« Sie schluckte, holte tief Luft. »Ich dachte, nach Isabels Tod . . .« Nun sah sie doch auf und suchte den Blickkontakt zu Meike. »Ich wusste nicht, dass ich so etwas überhaupt noch empfinden kann.« Auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Falte. »Es macht mir Angst. Darf ich das überhaupt?«, sprach sie endlich die Frage aus, die sie seit dem Klassentreffen ständig beschäftigte.
Meike starrte auf den Boden. Ihre Zähne gruben sich in ihre Unterlippe.
»Sag doch bitte etwas.« Franzi legte die Hände auf Meikes Schultern und zwang sie, sie anzusehen. In Meikes Augen spiegelte sich ihr eigener Zweifel wider.
»Franzi, ich . . . Das ist alles so eine neue Erfahrung für mich. Ich mag dich auch. Und ich habe unsere Küsse genossen. Sehr sogar. Aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Ob ich stark genug dafür bin. Ob es das ist, was ich möchte.« Meike lehnte sich an Franzi. »In deiner Nähe fühle ich mich unbeschwert, da kann mir nichts und niemand etwas anhaben – aber wenn wir nicht allein sind . . . Ich . . .« Sie stockte.
»Schon gut.« Zärtlich küsste Franzi Meikes Haaransatz. »Ich verstehe, was du meinst.«
Für den Moment fühlte sie sich wunschlos glücklich in Meikes Nähe. Auch wenn sie der Antwort auf die Frage, was das nun war zwischen ihnen, kein bisschen näher gekommen war.
~*~*~*~
» W as ist denn los mit dir?« Regine Kurz strich Butter auf ihr Brot. »So schweigsam kenne ich dich gar nicht.« Sie betrachtete ihre Tochter, die ihr gegenüber am Esstisch saß, mit besorgter Aufmerksamkeit.
Franzi schnitt ein Stückchen ihres Käsebrots ab. Fast jede Woche verbrachte sie einen Abend bei ihrer Mutter. »Ach.« Sie spießte das Stückchen Brot mit ihrer Gabel auf und steckte es in den Mund.
»Jetzt erzähl deiner Mutter endlich, was dich bedrückt«, forderte Regine sie auf. »Und komm mir bloß nicht mit Ausflüchten. Vergiss nicht, dafür kenne ich dich viel zu gut.« Sie legte zwei Salamischeiben auf ihr Brot.
Franzi kaute und schluckte den Bissen hinunter. »Du hast recht.« Seit sie Meike bei dem Klassentreffen wiedergetroffen hatte, waren nun fast zweieinhalb Wochen vergangen. Ihrer Mutter hatte sie von dieser Begegnung bisher nichts erzählt. Aber länger konnte sie ihr nichts vormachen. Sie wusste ohnehin, wenn Franzi etwas beschäftigte. »Erinnerst du dich noch an Meike Jakobs?«, fragte sie deshalb. Allein das Aussprechen des Namens ließ ihren Pulsschlag schneller werden.
»Natürlich.« Regine sah Franzi mit geweiteten Augen an. »Wie könnte ich Meike vergessen? Ihr habt schließlich früher jede freie Minute zusammen verbracht. Sie war fast wie meine zweite Tochter . . . bis sie dir das Herz gebrochen hat.« Sie schmunzelte. »Dein erster großer Liebeskummer. So etwas vergisst eine Mutter doch nicht.«
»Wir haben uns bei diesem Klassentreffen wiedergesehen.«
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