Klassentreffen (German Edition)
Erkenntnis schmerzte. Ein Leben ohne Isabel . . . Warum nur? Warum hatte es so kommen müssen?
Als hätte ihre Mutter ihre Gedanken gelesen, sagte sie: »Du kannst nicht ändern, was passiert ist. Aber du kannst versuchen, das Beste aus deinem Leben zu machen.«
Franzi nickte. »Ich glaube, ich brauche noch ein bisschen Zeit für mich. Vielleicht gehe ich eine Runde schwimmen.«
Regine stand auf, stellte sich hinter Franzi und legte die Arme um ihre Tochter. »Natürlich.« Sie drückte Franzi einen Kuss auf die Wange. »Mach das. Und grübele nicht zu viel.«
Wenig später stand Franzi in ihrem dunkelblauen Badeanzug in der Schwimmhalle. Wann immer sie Zeit hatte, schwamm sie ein paar Bahnen. Es war für sie die beste Möglichkeit, den Kopf freizubekommen und ihre Gedanken zu ordnen.
Sie stellte sich unter die Dusche. Das kühle Wasser erfrischte sie. Eine leichte Gänsehaut überzog ihren Körper: Niemals hätte sie geahnt, dass es einen anderen Mann im Leben ihrer Mutter gegeben hatte. Mit keinem Sterbenswörtchen hatte sie ihn erwähnt.
Kurz darauf sprang sie mit einem eleganten Startsprung ins Wasser und kraulte los. Es hätte ihrer Mutter sicherlich gutgetan, einen Mann an ihrer Seite zu haben, jemanden, mit dem sie die Abende verbringen könnte, mit dem sie etwas unternehmen könnte. Natürlich hatte sie Freundinnen, und natürlich gab es auch noch Franzi. Aber Franzi wusste, dass ihrer Mutter manchmal Zuneigung und Zärtlichkeiten fehlten.
Sie hatte den Beckenrand erreicht und wendete. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Vielleicht hatte sie es mit dem Tempo übertrieben. Sie versuchte, ihren Atem zu kontrollieren, und wurde etwas langsamer.
Wahrscheinlich stimmte es, was ihre Mutter sagte. Sie musste nach vorn schauen, ihr Leben war noch nicht zu Ende. Sie war noch viel zu jung, um allein zu bleiben.
Ach, Isabel . Franzi seufzte. Ihre Beine wurden schwer. Mit Isabel an ihrer Seite war alles so einfach gewesen. Manchmal, wenn sie abends allein im Bett lag, hatte sie das Gefühl, Isabel neben sich zu spüren. Sie waren sich so vertraut gewesen. Franzi schluckte und beschleunigte wieder; sie schlug jetzt beinahe auf das Wasser ein. Niemand konnte Isabels Platz einnehmen!
Aber das sollte ja auch niemand. Isabel sollte ihren Platz behalten, doch neben ihr war auch noch Platz für jemand anderes. Isabel hatte immer gewollt, dass Franzi glücklich war. Sie hätte sich nie gewünscht, dass Franzi ihr Leben aufgab und nur noch trauerte.
Tränen mischten sich mit dem Chlorwasser.
Isabel blieb immer in ihrem Herzen, doch ihr Leben ging weiter – und Isabel hätte gewollt, dass sie glücklich wäre. Franzi hielt mitten in einem Kraulschlag inne. Es war das erste Mal, dass ihr dies so deutlich bewusst wurde. Egal, wie oft sie in den vergangenen Monaten darüber nachgedacht hatte, niemals zuvor war diese Erkenntnis so klar gewesen.
Sie musste ihr Leben wieder in die Hand nehmen. Sie musste mit Meike reden, ihr noch einmal ganz deutlich ihre Gefühle gestehen und ihnen eine Chance geben.
Franzi schwamm mit gleichmäßigen Zügen weiter, bis sie den Beckenrand erreicht hatte.
Aber was würde Meike dazu sagen? Wie würde sie reagieren? Meike war nicht müde geworden zu betonen, dass sie nicht mehr für Franzi empfand als Freundschaft. Mehr als einmal hatte sie Franzi nun schon zurückgewiesen.
Und Franzi hatte schon einmal alles zerstört, indem sie Meike zu nahe gekommen war. Sie wollte ihre beste Freundin kein zweites Mal verlieren.
Andererseits . . . wenn Franzi es nicht wenigstens wagte, würde sie nie erfahren, ob Meike nicht doch etwas für sie fühlte. Einige Anzeichen sprachen ja durchaus dafür. Bei ihrem Spaziergang neulich hatte Meike selbst gesagt, dass sie nicht wisse, ob sie mehr fühlen könne, ob sie stark genug sei – aber sie hatte es nicht kategorisch ausgeschlossen. Und ihre eigenen Gefühle konnte Franzi ohnehin nicht unterdrücken. Eine Weile hatte sie es ja versucht, aber es war erfolglos gewesen.
Gleich morgen Abend würde sie zu Meike fahren und ihr sagen, dass sie sich in sie verliebt hatte.
Franzi kletterte aus dem Schwimmbecken. Mit festen Schritten lief sie in Richtung Dusche. Genau das würde sie machen.
~*~*~*~
» H allo, Meike«, grüßte Franzi. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Jetzt oder nie. Viel zu lange hatte sie gewartet.
»Das ist ja eine Überraschung. Komm doch rein.« Auf Meikes Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab.
Sicher, die richtige Entscheidung
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