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Klassentreffen (German Edition)

Klassentreffen (German Edition)

Titel: Klassentreffen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Schöning
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Franzi nahm einen großen Schluck von ihrem Pfefferminztee und beobachtete den Gesichtsausdruck ihrer Mutter, der zwischen Freude und Skepsis schwankte.
    »Und?«, war schließlich alles, was Regine sagte.
    »Und jetzt . . .« Franzis Finger trommelten auf ihrem Holzbrettchen. Wie sollte sie ihrer Mutter das erklären? Sie atmete tief durch. »Jetzt bin ich vollkommen durcheinander. Meike und ich . . . Das ist eine komplizierte Geschichte. Wir verstehen uns gut. Sehr gut.« Das Blut schoss ihr ins Gesicht bei der Erinnerung daran, wie gut sie sich verstanden hatten und wie nahe sie sich gekommen waren. »Wir haben uns geküsst. Zweimal.« Verlegen senkte sie den Blick Richtung Tisch und studierte eingehend die karierte Tischdecke. »Es war schön. Aber . . .«
    Über den Tisch hinweg ergriff Regine die Hände ihrer Tochter. »Wo ist denn dann das Problem?«
    »Mama . . .« Franzi hob den Blick wieder und sah Regine verzweifelt an. »Ich habe das Gefühl, Isabel zu betrügen, wenn ich mich auf Meike einlasse. Ich habe ein fürchterlich schlechtes Gewissen Isabel gegenüber. Verstehst du, was ich meine?« Ihre Stirn legte sich in tiefe Falten. »Dabei habe ich mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt wie in Meikes Nähe. Es ist, als wäre ich endlich aus einem dichten Nebel aufgetaucht. Ich genieße das.«
    Regines Daumen kreiste zärtlich über Franzis Handrücken. »Mein armer Schatz.«
    »Es verwirrt mich, dass ich plötzlich solche Gefühle habe. Ich hatte gedacht, dass diese Gefühle ganz allein Isabel gehören.«
    »Ich kann dich so gut verstehen. Ich habe dir das nie erzählt.« Franzis Mutter machte eine bedeutungsvolle Pause.
    Überrascht schaute Franzi sie an.
    »Als dein Vater damals gestorben ist, habe ich etwas Ähnliches erlebt. Du hast das kaum mitbekommen, weil du ja in Braunschweig warst.«
    Franzi runzelte die Stirn. Ihr Vater war an einer akuten Leukämie gestorben, als Franzi zwanzig war und gerade das erste Jahr ihres Studiums beendet hatte. Es war der erste schwere Verlust gewesen, mit dem sie hatte fertig werden müssen. Damals waren sich Franzi und ihre Mutter sehr nahe gekommen. Franzi konnte sich kaum vorstellen, dass es etwas Wichtiges im Leben ihrer Mutter gegeben hatte, von dem sie nichts wusste.
    »Weißt du, ungefähr zwei Jahre nach Günthers Tod habe ich mich neu verliebt. In einen Arbeitskollegen.«
    Franzi traute ihren Ohren kaum. Ihre Mutter hatte sich neu verliebt?
    »Es war eine sehr intensive Zeit. Wir sind uns auch etwas nähergekommen. Ich mochte ihn sehr. Aber am Ende . . .« Es fiel Regine sichtlich schwer, weiterzureden. »Am Ende habe ich mich gegen ihn und unsere Liebe entschieden. Ich dachte, ich dürfte deinem Vater so etwas nicht antun. Ich dürfte mich nicht noch einmal verlieben . . . So ein Unsinn. Heute weiß ich es besser.« Sie schüttelte den Kopf, und in ihrer Stimme lag Bedauern. »Heute denke ich, dass ich mich falsch entschieden habe. Ich habe mich gegen die Liebe entschieden. Man trifft nicht oft jemanden, den man liebt und der einen wiederliebt. Das darf man nicht leichtfertig wegwerfen.«
    Nun war es Franzi, die ihre Mutter mit geweiteten Augen ansah. »Ich hatte überhaupt keine Ahnung.«
    »Ich weiß. Ich habe es niemandem erzählt, weil ich ein so schlechtes Gewissen hatte.« Regine zuckte mit den Schultern, dann sah sie ihrer Tochter eindringlich in die Augen. »Wenn du Meike magst, dann gib euch eine Chance.«
    Franzi zögerte. »Ich habe Angst, dass ich Isabel vergesse, wenn ich mich auf Meike einlasse. Dass eine andere Frau ihren Platz in meinem Herzen einnimmt.« Sie starrte auf die Brotkrümel auf ihrem Brettchen.
    »Du wirst Isabel nicht vergessen, und sie wird immer einen Platz in deinem Herzen haben. Genauso wie ich deinen Vater niemals vergessen werde. Er wird immer Teil meines Lebens bleiben, daran hätte auch ein anderer Mann nichts geändert. Aber du kannst doch deswegen nicht auf Dauer allein bleiben. Ich wünsche mich nichts mehr für dich, als dass du wieder glücklich wirst.« Regine lächelte Franzi an. »Und ich bin mir ganz sicher, dass es auch das ist, was Isabel gewollt hätte.«
    »Ach, Mama, was würde ich nur ohne dich machen?« Franzi legte ihren Kopf ein wenig schief. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter recht. Isabel würde immer ein Teil ihres Lebens bleiben – aber sie durfte nicht für immer alles in ihrem Leben bleiben. Ihr Leben ging weiter. Auch ohne Isabel. Sie spürte die aufsteigenden Tränen. Die

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