Klassentreffen (German Edition)
musste Meike wider Willen lachen. »Wie sieht eine Lesbe denn deiner Meinung nach aus?«
»Hm, du hast recht. Das sind alles blöde Vorurteile.« Mario schmunzelte ein wenig verlegen. »Aber ich hätte es trotzdem nicht gedacht.«
»Ich ehrlich gesagt auch nicht«, gestand Meike. »Bis ich Franzi getroffen habe. Rückblickend gab es schon immer Hinweise darauf, dass ich Frauen toller und interessanter und auch anziehender fand als Männer. Aber irgendwie habe ich es wohl nicht wahrhaben wollen und verdrängt.« Kurz fasste sie die Geschichte ihrer Beziehung mit Franzi zusammen.
»Also, dann warst du an dem Abend der Lehrerverabschiedung gar nicht solo?«, fragte Mario, als sie geendet hatte. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Falte.
Meike stiegen Tränen in die Augen, sie konnte nichts dagegen machen. »Nein, war ich nicht . . . bis Franzi gehört hat, was ich zu dir gesagt habe.«
»Ach, Meike, das war aber auch wirklich ziemlich daneben.« Mario verzog das Gesicht zu einer missbilligenden Grimasse. »Das muss ich dir jetzt mal sagen.«
»Ich weiß«, murmelte Meike.
»Und hast du seitdem mit Franzi gesprochen? Ihr alles erklärt?«
»Ich habe es versucht. Ich habe sie immer wieder angerufen, aber sie geht nicht ans Telefon.«
»Wundert dich das?«, fragte Mario.
Meikes Daumen rieb über die Handfläche ihrer anderen Hand. »Nein, natürlich nicht. Ich an ihrer Stelle würde es wahrscheinlich auch nicht anders machen.«
»Liebst du sie denn noch?«
Marios Frage traf Meike völlig unvorbereitet. »Ich . . . denke . . .«, stotterte sie.
Mario sah sie fest an. »Du liebst sie.«
Meike nickte. Sie schluckte, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden. »Ja, ich liebe sie. Jeden Tag fehlt sie mir mehr. Ich hatte keine Ahnung, dass es solche Gefühle überhaupt gibt.«
»Dann weißt du, was du zu tun hast.«
Meike sah Mario erwartungsvoll an.
»Du musst um sie kämpfen. Sprich noch mal mit ihr. Vielleicht kann sie dir verzeihen.«
»Aber sie redet ja nicht mit mir.«
»Du willst doch nicht so schnell aufgeben.« Tadelnd schüttelte Mario den Kopf. »Mach ihr klar, was für eine tolle Frau du bist.«
»Wenn das so einfach wäre.« Meike ließ die Schultern hängen. Sie hatte ja oft genug versucht, mit Franzi zu reden. Aber diese blockte jeden Kontakt ab, ignorierte alle Anrufe und SMS.
»Ich habe auch nicht behauptet, dass es leicht wird.«
Das Klingeln der Schulglocke kündigte die große Pause an.
»Vielleicht sollten wir langsam zurück ins Lehrerzimmer«, meinte Mario.
»Bist du jetzt schockiert?«, erkundigte sich Meike verunsichert.
Mario schüttelte den Kopf. »So ein Quatsch. Überrascht vielleicht, aber bestimmt nicht schockiert. Und weißt du was: Ich kann dich sehr gut verstehen, ich mag Frauen auch deutlich lieber als Männer.« Grinsend klopfte er Meike auf die Schulter. »Ansonsten ist mir vollkommen egal, mit wem du zusammen bist. Ich hoffe nur, du wirst schnell wieder glücklich.«
»Danke. Dafür, dass du mir zugehört hast, und dafür, dass du akzeptierst, wer ich bin.« Meike erhob sich von ihrem Stuhl. Dann gingen sie gemeinsam zurück ins Lehrerzimmer.
»Ach, Meike. Schön, dich mal wiederzusehen. Ich habe das Gefühl, du weichst mir aus.« Kaum hatten sie das Lehrerzimmer betreten, stand Karsten auch schon hinter ihr.
»Karsten.« Meikes Blick verdunkelte sich.
»An einer freudigen Begrüßung musst du wirklich noch arbeiten.«
Karstens schmieriges Grinsen ließ Meike übel werden. Seit dem gemeinsamen Abendessen war sie Karsten in der Tat erfolgreich ausgewichen, und sie hatte gehofft, er ließe sie endlich in Ruhe. »Ich möchte dir keine Gefühle vorheucheln«, sagte sie kalt.
»Wir sollten das bei einem Abendessen besprechen.« Karsten legte eine Hand auf Meikes Schulter.
»Finger weg«, schnappte Meike und schob seine Hand mit einer schnellen Bewegung weg. »Und ich werde bestimmt nicht mit dir essen gehen.«
»Dann wird morgen jeder von dir und Franzi wissen«, zischte Karsten. Bedrohlich zogen sich seine Augenbrauen zusammen.
»Was soll morgen jeder wissen?«, mischte sich Mario ein. »Dass Meike lesbisch ist?«
Meike blieb die Luft weg. Ihr Herz pochte bis zum Hals, und ihr wurde schwindelig. Sie nahm ihre Umgebung nur noch schemenhaft wahr.
»Das weiß doch jeder«, fuhr Mario leichthin fort. »Das ist doch kein Geheimnis. Hast du das noch gar nicht mitbekommen?« Er lächelte Karsten süffisant an.
»Das ist . . . Ich glaube es
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