Klassenziel (German Edition)
passte perfekt zu ihm: sich das Gehirn rausballern und dafür sorgen, dass es sich im gesamten Raum verteilt. Hm, aber wie hätte er an eine Knarre rankommen sollen?
Wahrscheinlich war es sowieso längst zu spät. Er hatte mich ja nicht ohne Grund eingesperrt. Er wollte einfach sichergehen, dass ich ihn nicht von seinem Plan abhielt. Das war alles total hoffnungslos. Ich konnte genauso gut im Straßengraben liegen bleiben und warten, bis mich die Geier holten.
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K eine Ahnung, welcher Teufel mich da geritten hat. Früher war ich nicht so, ehrlich. Ich war nie frech und aufsässig zu meinen Lehrern. Und jetzt, im Nachhinein, tut es mir auch leid, vor allem weil ich mir Sorgen um meine Note machen muss. Aber ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte.
Natürlich freut es mich, dass mir draußen auf dem Flur Justus anerkennend auf die Schulter klopft, dass Becky mich über zwei hochgereckte Daumen hinweg anstrahlt und dass Tatjana sagt: «Mann, du traust dich ja was!» Insofern hat sich die Aktion schon irgendwie gelohnt, und wie ich jetzt meine Deutschnote rette, das kann ich mir ja später immer noch überlegen.
Am Schulhoftor treffe ich Luna, Kenji und Becky. Sie verabschieden sich von mir wie richtige Freunde. «Bis morgen!», ruft Luna. «Denk an das Picknick!»
«Ich hätte gerne Schwarzwälder Kirschtorte», erklärt Kenji.
«Ich kann dir ja ’ne Backmischung mitbringen», kontere ich. Wir winken uns noch mal zu und gehen dann in entgegengesetzte Richtungen davon.
I ch hörte ziemlich viele Polizeisirenen, ein Hubschrauber flog tief über die Häuser weg, und einmal überholte mich ein ganzer Konvoi von Notarztwagen. Aber mein Gehirn war schon viel zu ausgetrocknet, als dass ich noch groß darüber nachgedacht hätte. Wahrscheinlich wieder ein Unfall auf der A52. Erst als ich in unsere Straße einbog und direkt vor unserer Haustür mehrere Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht stehen sah, fing mein Herz an zu hämmern.
Ich hatte noch nicht mal das Gartentörchen aufgemacht, da standen schon zwei Männer rechts und links neben mir und hielten mich an den Oberarmen fest – nicht schmerzhaft, aber irgendwie sehr bestimmt. «Benjamin van Arcen?»
«Ja?»
«Komm mal bitte mit, wir müssen uns ein bisschen mit dir unterhalten.» Sie schoben mich nach drinnen. Komischerweise war die Haustür nur angelehnt. «Wo ist meine Mutter?», fragte ich voller Panik. Ich meine, das konnten ja auch verkleidete Gangster sein, oder? Vielleicht hielten sie Mama drinnen als Geisel!
Sie saß im Wohnzimmer auf der Couch und war total bleich, als wäre ihr Kopf für Madame Tussaud aus Wachs nachgeformt worden. Neben ihr saß ein Kerl mit einem quadratischen Gesicht und nach hinten gekämmten Haaren, der ein bisschen so aussah wie dieser Assistent von Derrick, Harry, und hatte den Arm um sie gelegt. Und überall im Raum saßen und standen Fremde, manche davon in Polizeiuniform.
Als sie mich entdeckte, stürzte meine Mutter auf mich zu und drückte mich an sich. «Jamie! Wo warst du? Wo warst du denn bloß? O mein Gott … o mein Gott …», schluchzte sie. Alle anderen starrten mich schweigend an. Ich war echt verstört und wusste nicht, was ich sagen sollte. Eine junge blonde Polizistin mit Pferdeschwanz stand aus einem Sessel auf, und in den drückten die beiden Männer an meinen Oberarmen mich rein. Einer flüsterte leise «Puh», dann ging er auf Abstand.
«Was ist denn hier los?», fragte ich. Meine Stimme zitterte. Keiner gab mir eine Antwort.
«Ja, dann erzähl uns mal bitte, wo du jetzt herkommst», forderte mich einer der Fremden auf. Er stand an die Fensterbank gelehnt, und ich konnte sein Gesicht gegen den hellen Hintergrund nicht richtig erkennen.
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I ch gehe den Heimweg zwar wieder ganz alleine, aber heute finde ich das nicht so schlimm. Dass offenbar keiner meiner Mitschüler in der Eichkampsiedlung wohnt, habe ich mittlerweile geschnallt. Ich glaube, da wohnen überhaupt keine Leute unter vierzig, jedenfalls habe ich noch keine gesehen.
I ch weiß nicht wieso, aber plötzlich kriegte ich nach diesen ganzen Strapazen noch mal einen kleinen Energieschub. Und der schlug um in Wut. Ich wurde voll sauer, dass hier ein Haufen fremder Leute in unserem Wohnzimmer saß, mich in einen Sessel bugsierte, mich schweigend anstarrte und mir dann auch noch Fragen stellte, ohne mir erst mal zu sagen, was das Ganze zu bedeuten hatte. Und ich war nicht bereit,
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