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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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Panorama.
    Moritz ist mit Freunden verabredet und geht in Richtung U-Bahn. So langsam werde ich ein bisschen müde, was vielleicht auch an den zwei Flaschen Bier liegt. Kenjis Energie dagegen scheint nie nachzulassen. Er hopst um mich rum und bringt mich zum Lachen, bis der blaue Citroën an die Bordsteinkante rollt. Wir klettern beide auf die Rückbank. «Hi», sagt Kenji unbefangen und reicht meinem Vater die Hand, «ich bin Kenji Hoshikuro. Total nett, dass Sie mich mitnehmen.»
    Während der Fahrt guckt mein Vater immer wieder in den Rückspiegel, um zu sehen, was für einen exotischen kleinen Spinner ich da angeschleppt habe. Ich kenne diesen amüsierten Blick. So hat er Nick und mich früher auf langen Autofahrten auch beobachtet, wenn wir «Ich sehe was, das du nicht siehst» gespielt haben. Oder Autokennzeichen raten. Oder Schnick, Schnack, Schnuck. Nur dass Kenji und ich uns gerade gegenseitig mit den bescheuertsten Bandnamen überbieten. «Kakkmaddafakka!» – «Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick&Tich!» – «The The!» – «Das Pop!» – «Die toten Crackhuren im Kofferraum!»

    D as waren also meine Sommerferien, auf die ich mich ein ganzes Jahr lang gefreut hatte. Die meiste Zeit saß ich zu Hause, mit meiner Mutter am Esstisch oder auf der Couch. Wir guckten uns alte Fotoalben und Kindervideos an, heulten und lachten gemeinsam und stellten uns immer wieder Fragen, die niemand beantworten konnte: «Hätten wir ihm helfen können?» – «Wieso hat er nichts gesagt?» – «Warum hat er auf Leute geschossen, die ihm nie was getan haben – sogar auf meine besten Freunde und Melody?» Und wir kramten irgendwelche banalen Erinnerungen hervor, in die wir im Nachhinein eine riesengroße Bedeutung reininterpretierten.
    Meine Mutter war auch häufig bei Uwe, dann hing ich eben alleine zu Hause rum. Ich spielte Gitarre und schrieb ein paar ziemlich gute Songs. Also, ich fand sie jedenfalls gut. Das Problem war, dass ich keine Band mehr hatte, der ich sie vorspielen konnte, um ihr Urteil zu hören. Ich hatte zwar noch ein paar Freunde außerhalb der Schule, aber keiner von denen meldete sich, und ich rief auch niemanden an. Es war definitiv zu viel passiert, um mich jetzt mit Kumpels auf dem Bolzplatz zu verabreden. Und Fußballtraining und Musikschule fanden während der Ferien auch nicht statt.

[zur Inhaltsübersicht]
    101
    W as war denn das ?», sagt mein Vater lachend, als wir Kenji vor seiner Haustür abgeliefert haben. «Mann, das ist ja vielleicht ein schräges Vögelchen!»
    «Tja, hab ich dir ja gesagt.» Ich bin ein bisschen verlegen und wechsle schnell das Thema. «Die Probe war richtig geil. Der eine Gitarrist ist gar nicht gekommen, aber die anderen zwei sind total nett. Und das hat unheimlich gut geklappt mit dem Zusammenspielen und so. Obwohl die eigentlich was ganz anderes machen als wir damals mit den Burst Frenchies. Aber weißt du was? Irgendwie find ich das sogar noch besser.»
    Beim Zähneputzen fällt mich die Müdigkeit wieder an, diesmal so heftig, dass ich schon fürchte, ich schaffe es nicht mehr bis ins Bett. Es ist fast zwei Uhr, ich bin seit dem frühen Morgen auf den Beinen, und so viel Neues ist total anstrengend. Aber ich bin glücklich, als ich das Licht ausschalte. Auf eine Art, die ich schon sehr lange nicht mehr erlebt habe. Und zwar ist das ein Glück, das …
    Mein Handy meldet eine SMS. Eigentlich war mein Puls schon im Schlummermodus, aber jetzt baut er sich noch mal zu einem kleinen Trommelwirbel auf. «das war die allerbeste probe bisher. nur wegen dir mannhast du am we schon was vor? hdl kenji»
    Und zwar ist das ein Glück, das sich wie ein Versprechen anfühlt.

    M it meinem neuen Handy konnte ich ins Internet gehen. Es dauerte ziemlich lange, bis ich mich traute, meinen Facebook-Account aufzurufen. Und dann war es genau so, wie ich befürchtet hatte: Praktisch niemand hatte mir irgendwas Nettes oder Tröstliches geschrieben. Ziemlich viele meiner sogenannten Freunde hatten mich gesperrt. Und ein paar ganz Bekloppte hatten echt geisteskranke Aggro-Kommentare gepostet: «ich mach dich platt du sau. 17 tote das finst du lustig wa?» Noch schlimmer war der hier: «das war geil. glückwünsch!» Ich war mir nicht mal sicher, ob sie wussten, dass ich bloß Nicks Bruder war. Noch am selben Tag löschte ich mein Profil.
    Ab und zu musste ich noch mal zum Kommissariat, um mit Görlitz und seinem Team oder mit der Staatsanwältin zu reden, aber das wurde allmählich immer

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