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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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Hoffnung. Ich hielt die Luft an und guckte starr runter auf meine Schuhe, bis sie antwortete.
    «Ach, Jamie … Du bist doch mein Junge. Ich hab dich lieb.» Wir umarmten uns, und sie hielt mich ganz fest.

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    M ein Vater schüttet sich die letzten Chipskrümel aus der Tüte direkt in den geöffneten Mund. «Morgen müssen wir noch die restlichen Blumenzwiebeln setzen», sagt er knuspernd. «Und die Sträucher runterschneiden.»
    «Okay. Aber um zwölf muss ich weg. Ich treff mich mit Kenji und den Mädchen.»
    Für einen Moment hört mein Vater auf zu kauen und guckt mich aufmerksam an. «Echt? Schön! Deine erste Verabredung, was? Was sind das denn für Mädchen?»
    «Ganz normale», sage ich, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. «Aus meiner Klasse.»
    «Hübsch?»
    Ich zucke die Achseln. «Ja, ganz okay. – Wo ist denn die Fernbedienung?» Ich muss ihn ein bisschen ausbremsen, sonst fragt er immer weiter. Ich meine, ist ja nett, dass er sich für mich interessiert und so, aber es gibt eben so ein paar Sachen, die man nicht unbedingt bis ins letzte Detail mit seinen Eltern durchdiskutieren will, und das muss er noch lernen.
    Dabei bin ich eigentlich ziemlich stolz auf mein Rendezvous: Torte essen im Café Kranzler. War natürlich Kenjis Vorschlag. Welcher normale Mensch unter sechzig würde sonst auf so eine Idee kommen? Ich bin aber ganz sicher, dass er ein Event daraus macht, für das ich mich nicht zu schämen brauche. Wahrscheinlich werden wir da mehr Spaß haben als in allen Clubs, Freizeitparks und Szenetreffs zusammen.

    F ast jeden Tag radelte ich nach Dülken zum Friedhof. Manchmal nahm ich ein paar Blumen aus dem Garten mit und stellte sie in die grüne Vase mit dem Steckspieß untendrunter. Ich sorgte dafür, dass das Öllicht immer brannte, und katapultierte Nacktschnecken mit einem Stöckchen auf die anderen Gräber. Sorgfältig zupfte ich Unkraut aus, sammelte Laub auf und entsorgte nach und nach die vertrockneten Blüten aus dem scheußlichen rot-weißen Kranz. Verglichen mit den Gräbern seiner Opfer war Nicks letzte Ruhestätte verdammt dürftig. Anscheinend hatte niemand das Bedürfnis gehabt, auch nur das kleinste Blumengesteck zu spenden.
    Vielleicht war es komisch, dass ich mich so um das Grab kümmerte. Immerhin hatte Nick meine besten Freunde umgebracht. Aber irgendwie schaffte ich es nie, diese beiden Tatsachen in einen Zusammenhang zu bringen: dass ich meinen Bruder verloren hatte und dass jemand meine Freunde ermordet hatte. In meinem Kopf waren das zwei völlig unterschiedliche Dinge, die zufällig gleichzeitig passiert waren. Ich trauerte um Dominik, und ich trauerte um Melody, Till und die anderen, aber wenn ich nicht gerade ganz konzentriert darüber nachdachte, zog ich eigentlich keine Verbindung zwischen diesen Verlusten.
    Meistens fuhr ich vom Dülkener gleich zum Viersener Friedhof und stand dort verloren vor den Gräbern von Melody und Till rum. Blumen aus dem Garten wären hier nicht angebracht gewesen, denn ihre Gräber quollen sowieso schon über von Bouquets und Gestecken. Aber ich machte auch bei ihnen alles schön ordentlich, ich tauschte sogar das Wasser in den Steckvasen aus. Viel mehr konnte ich für sie ja nicht mehr tun.

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    D ass in diesem Moment mein Handy klingelt, kommt mir ganz gelegen. Ich gehe nach nebenan, damit mein Vater in Ruhe weiter fernsehen kann. Also eigentlich natürlich, damit er nicht mithören kann. Zu meiner Überraschung ist Moritz dran. «War ziemlich cool gestern Abend», sagt er. «Hat mir echt gefallen. Also, ich wollte dir nur sagen, dass ich gerade mit Charlie gesprochen habe.»
    Mir bleibt das Herz stehen, dann rutscht es mir in die Hose. Bestimmt sagt er gleich, dass Charlie wieder dabei ist und dass ich nicht mehr zu kommen brauche.
    «Charlie ist raus», sagt Moritz. «Endgültig. Ich meine, er fand das jetzt zwar nicht so toll, aber es hat ja keinen Zweck mehr, wenn er nur so unregelmäßig auftaucht. Ich hab ihm gesagt, dass wir uns entschieden haben.»
    Mein Herz kehrt wieder an seinen Stammplatz zurück und fängt an, das Versäumte nachzuholen. «Du meinst – du hast ihn rausgeschmissen?»
    «Ja, nee, nicht ganz. Oder vielleicht doch.»
    «Scheiße, Mann. Gib ihm bloß nicht meine Telefonnummer. Der muss sich ja vorkommen wie Stuart Sutcliffe.»
    In Wirklichkeit bin ich natürlich halb verrückt vor Freude. Auch weil Moritz sich so klar für mich entschieden hat, und das

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