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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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nach einer einzigen Probe und obwohl ich eigentlich ein paar Jahre zu jung bin für diese Band. Ich lege mir selbst gegenüber den feierlichen Schwur ab, dass ich alles für die Cosmic Shocks opfern werde, wenn es nötig ist: meine Freizeit, meinen Schlaf, mein Taschengeld und meine guten Schulnoten. So eine Chance kriegt man nur einmal im Leben, und ich weiß, was das für mich bedeutet.

    E inmal hockte ich vor Tills Grab und zupfte ein paar verwelkte Rosen aus einem Strauß, und da stand plötzlich seine Mutter neben mir und starrte mich an, als wäre ich ein Gespenst. Ich sprang auf. Obwohl ich gar nichts Verbotenes getan hatte, merkte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Ich stotterte irgendeinen Gruß, den sie aber nicht erwiderte. Sie sah viel älter aus als noch vor ein paar Wochen. Ihre Haut war bleich und aufgedunsen und dunkelgrau um die Augen. Dass sie schwarze Klamotten trug, schmeichelte ihr auch nicht gerade.
    «Ich hab nur ein paar vertrocknete Blüten rausgezogen», sagte ich blöderweise. Als wenn sie mich als Grabschänder beschimpft hätte oder so was. Sie sagte einfach gar nichts, und ehrlich gesagt war das fast noch schlimmer. Sie glotzte mich nur an. Mir fiel ein, dass man in solchen Fällen kondolieren muss. Aber ich konnte einfach nicht so eine Floskel wie «Mein Beileid» über die Lippen bringen. Ich meine, das klingt so abgedroschen. Und es hätte auch überhaupt nicht ausdrücken können, was ich wirklich empfand.
    Tills Mutter stellte die Tüte ab, die sie mitgebracht hatte, und hockte sich hin, um ein Öllicht, Streichhölzer und eine kleine Schale mit Dahlien rauszunehmen. Sie zog die Nase hoch. Ich glaube, Frauen in dem Alter ziehen nur dann die Nase hoch, wenn sie weinen. Aber ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, deshalb war ich mir nicht sicher, ob sie weinte. Jedenfalls ignorierte sie mich gnadenlos. Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Abhauen? Aber ist das nicht total unhöflich, wenn man eine weinende Frau kommentarlos zurücklässt?
    Mir fiel ein, dass ich ein Päckchen Taschentücher in der Hosentasche hatte. Ich nahm eins raus, hockte mich neben Tills Mutter und hielt es ihr hin. Ohne mich anzusehen, schob sie meine Hand weg, und das ziemlich energisch. «Jetzt verschwinde doch endlich!», schluchzte sie. «Ich will nicht, dass du hierherkommst!»
    Ich ging langsam zurück zu meinem Fahrrad und fühlte mich gleichzeitig wie ein Verbrecher und wie ein Opfer.

[zur Inhaltsübersicht]
    105
    H ör mal, da gibt es noch ein Problem», sagt Moritz. «Also, eigentlich kein Problem, aber … na ja, vielleicht ist es eins für dich. Wir hätten da nämlich eine Anfrage für einen Gig.»
    «Was!?» Ich merke, wie mir die Augen aus den Höhlen quellen. «Wann? Wo? Von wem?»
    «Tja, das ist es ja gerade. Das wäre am dreißigsten September.»
    «Ähm … dieses Jahr?»
    Moritz lacht. «Ja. In zwei Wochen.»
    «O Gott», ächze ich.
    Moritz meint, wir müssten das nicht machen, er könnte verstehen, wenn mir das zu kurzfristig wäre, der Veranstalter wäre auch nicht sauer, wenn wir absagen, und er wüsste sowieso nicht genau, wie man in dieser kurzen Zeit alles vorbereiten sollte. Aber hab ich jetzt gerade einen Schwur abgelegt oder nicht? «Natürlich machen wir das!», schreie ich ins Telefon. «Wir kriegen das schon hin! Ich brauch bloß … Habt ihr Aufnahmen von euren Songs?»
    «Ja, Toshi macht immer CDs davon. Ich kann dir die morgen Mittag vorbeibringen. Wenn keiner da ist, werf ich sie in den Briefkasten.»
    «Super, ja, das wäre toll. Ich arbeite alles durch. Ich schwöre dir, dass ich jeden einzelnen Song spiele, den ich als Audiodatei kriege. Du kannst ja eine Auswahl machen, was wir an dem Abend bringen wollen, und dann gibst du mir das Material, und ich kann alleine üben. Und zwischendurch treffen wir uns so oft wie möglich für gemeinsame Proben.»
    Sieht so aus, als müsste ich meinen Schwur schneller erfüllen als gedacht. Ich würde es ja nie offen zugeben, aber ganz so optimistisch, wie ich tue, bin ich nicht. Immerhin habe ich vor drei Monaten noch mit einer totalen Anfängertruppe auf einem Provinzschulhof gespielt, und jetzt sprechen wir von einem Einzelauftritt in einem ziemlich angesagten Club in Berlin-Friedrichshain. Und außerdem geht es hier nicht um Coverversionen von irgendwelchen Charts-Knallern, sondern um anspruchsvollen Elektro-Progrock, in den man sich erst mal reindenken muss und der sehr viel schwieriger zu spielen ist.
    Aber

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