Klatschmohn
Püppi, wo kommt ihr denn her?« Ihr Vater nannte sie trotz ihrer 33
Jahre nach wie vor bei ihrem Kosenamen.
Katharina berichtete von meiner Begegnung mit Leander, was die Familie naturgemäß schrecklich aufregend fand.
Eine gute halbe Stunde wurde ich ausgefragt, bis Katharina gnädigerweise zum nächsten Thema wechselte: Lillis Masern.
Wie abzusehen, wollte Herbert, der zwischen Katharina und mir saß, sofort die Plätze tauschen, wegen der möglichen Ansteckungsgefahr, und war gar nicht mehr zu beruhigen, obwohl seine Mutter ihm versicherte, er habe die Masern als Kind schon gehabt.
»Ja, das dachte Lilli auch, und jetzt hat sie rote Pusteln und hoch Fieber. Mit Masern ist bei Erwachsenen nicht zu spaßen.«
Herbert war nicht nur Hypochonder, sondern hegte auch einen Hang zur Übertreibung. »Aber eigentlich könnte ich das nutzen und Kontakt mit ihrem neuem Freund Dr. Sebastian Sommerfeld aufnehmen. Habe mich übrigens erkundigt. Er hat in Tübingen studiert. Eine ausgezeichnete medizinische Fakultät haben die.«
Katharinas Vater zog, halb verärgert, halb amüsiert, die Augenbrauen hoch.
»Von mir hat er das nicht, unser eingebildeter Kranke.«
»Natürlich hat er das von eurer Seite«, konterte Katharinas Mutter. »Deine Familie ist doch seit Jahrhunderten inzestuös unterwegs gewesen. Hättest du mich nicht gewinnen können, wäre nichts geworden mit dem frischen Blut in der Sippe.
Stattdessen wärst du an einer Adelstante hängen geblieben, und Herbert wäre nicht nur Hypochonder, sondern auch stolzer Träger einer Habsburger Lippe.«
Ich liebte den Schlagabtausch von Katharinas Eltern. Vor allem, dass sie sich auch nach ihrer langen Ehe innig liebten und es nicht müde wurden, sich gegenseitig zu necken.
Nach dem Tee zogen wir uns in Katharinas »Gemächer« zurück. Sie war sich ihres privilegierten Lebensstiles durchaus bewusst und dankbar dafür.
Ihr Lebensplan war bereits vorgezeichnet. Sie wusste, dass sie sich mit einer standesgemäßen Partie vermählen und zwei, drei Kinder in die Welt setzen würde, damit hätte sie ihre Schuldigkeit getan. Mit der Unterstützung eines Kindermädchens und einer Haushaltshilfe sollte sich ihr zukünftiges Leben nicht allzu schwer gestalten.
Katharina ging ihren Terminkalender durch. Nicht dass sie besonders viele Termine hatte, aber ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen waren ausreichend.
Sie setzte sich auf ihr Bett. »Du, Pia, in letzter Zeit fühle ich mich müde, und seit einigen Tagen ist mir übel. Wahrscheinlich habe ich mir diese Magen-Darm-Grippe eingefangen, die gerade grassiert. Oder ich bekomme meine Tage.«
Katharina blätterte den Kalender nach ihrem Zeichen »Marianne zu Besuch«, das ihre Periode tarnte, durch. Es fehlte schon seit geraumer Zeit.
Sie blätterte zurück und erschauderte. »Pia! Ich bin überfällig, und zwar um zehn Tage.« Sie wurde blass.
»Und das merkst du erst jetzt?« Ich war erstaunt.
»Das war die Ablenkung und Aufregung, erst mit dir, und dann mit Lilli!«
Noch mal zählte sie die Tage durch und kam immer wieder zum gleichen Ergebnis.
Sie war überfällig!
Sie, die immer Verhütung predigte und verächtlich über alle Frauen höhnte, die im 21. Jahrhundert unfreiwillig schwanger wurden. »O Gott, bitte lass es eine Hormonstörung oder Stress sein«, flehte sie.
Ich wusste, dass sie nicht schwanger sein konnte, da sie die Pille nahm, und Katharina war niemand, der eine Einnahme vergaß.
»Pia! Mir fällt gerade ein, dass ich im fraglichen Zeitraum Antibiotika geschluckt habe. So ein Anfängerfehler! Das darf doch nicht wahr sein!«
Ich versuchte sie zu beschwichtigen, auch wenn ich langsam nervös wurde
Doch Katharina war nicht zu beruhigen. »Weißt du, was das
Allerschlimmste, Unaussprechlichste ist? Der in Frage kommende Liebhaber ist Feldheim.«
Es handelte sich ausgerechnet um ihren Reitlehrer!
Katharina war selber klar, dass man ein Klischee nicht besser bedienen konnte. Sie hatte das sehr amüsant gefunden, und im Spaß hatten sich der Reitlehrer und sie »Di« und »John« genannt, in Anlehnung an Prinzessin Dianas Affäre mit ihrem damaligen Reitlehrer und angeblichen Vater von Harry.
Jetzt schämte sie sich für ihren Hochmut.
Ihr Reitlehrer war nicht nur gesellschaftsunfähig, sondern zu allem Übel auch verheiratet.
»Na, klasse, aber auch gar keinen Fettnapf ausgelassen, Gräfin«, schalt Katharina sich.
Ich brachte Gegenbeispiele. »Bei Lilli sind die
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