Klatschmohn
vererbt.
Bevor ich Witta kannte, hatte ich mich bei Shampoowerbung damit getröstet, dass die Haare der Models nur mit Glanzcreme und Strahlern zur Geltung kamen. Haare konnten in natura gar nicht so aussehen. Was soll ich sagen, Witta hatte genau diese Haarpracht.
Katharina, Lilli und ich wunderten uns ständig, warum Witta nach dem Tod ihres »heiligen« Ehemannes nie einen Nachfolger präsentiert hatte, denn an Bewunderern fehlte es ihr nicht.
Lilli schien zu spüren, wie es in mir brodelte.
»Ach, dafür gibt es sicher eine einfache Erklärung. Und mich würde es auch nicht wundern, wenn sie das nur erfunden hat, um dich zu ärgern. Sie hat schon immer ein Problem mit dir gehabt, die doofe Ziege.«
Dankbar schaute ich Lilli an. Solidarität bedeutete viel in solchen Momenten. Lilli sah heute so anders aus als sonst.
Und plötzlich bemerkte ich, dass sie lauter rote Punkte im Gesicht und im Dekolleté hatte.
»Um Himmels willen Lilli, du hast da lauter rote Punkte!«, kreischte ich.
Lilli senkte verunsichert die Stimme: »Pst. Ich weiß, ich habe versucht, sie abzudecken, so gut es ging. Ich glaube, das ist eine Allergie. Ich lasse das am besten Sebastian anschauen.« Nervös kramte sie in ihrer Tasche nach einem Handspiegel und überprüfte die Pusteln.
»Ich meine fast, die sind stärker geworden«, ließ sie verlauten.
Katharina musterte Lilli eingehend. »Kind, du hast keine Allergie, das sind eindeutig Masern. Glaube mir, wenn man mit einem Hypochonder als Bruder groß geworden ist, kennt man sich mit so was aus. Du hast die sicher auch schon auf dem Bauch. Zieh mal dein Top hoch.« Lilli gehorchte, und tatsächlich tummelten sich auf ihrem Bauch die gleichen roten Sprenkel, die sie auch im Gesicht hatte.
Lilli geriet außer sich. »Aber das kann gar nicht sein. Ich hatte schon als Kind die Masern und müsste dagegen immun sein. Außerdem, wo bin ich denn mit Masern in Berührung gekommen?«
Kaum ausgesprochen, fiel ihr es wie Schuppen von den Augen. »Natürlich, Marie! Die hat mir noch von ihrem Freund Thomas aus dem Kinderchor erzählt, der die Masern hat. Und ich dachte noch, wie niedlich, das Kind kann Masern nicht aussprechen. Seid mir nicht böse, aber ich geh gleich nach Hause und ruf Sebastian an.«
Wir brachten Lilli ins Bett und gingen auch nach Hause.
Mein Anrufbeantworter blinkte hektisch. Acht Anrufe in der kurzen Zeit, die ich außer Haus gewesen war. Es war doch nichts passiert!
Anrufer 1 war meine Mutter. Stimmt, ich hatte vergessen, sie anzurufen. Sie wollte wissen, wie mein Abend verlaufen war.
Der zweite Anrufer hatte aufgelegt. Sicher ein Kontrollanruf von meiner Mutter, um zu schauen, ob ich auch wirklich nicht zu Hause war.
Beim dritten Anruf bekam ich weiche Knie. Es war Leander.
»Hallo Pia. Du bist nicht da, hätte ich mir auch denken können.
Wahrscheinlich ist dir der Alkohol ausgegangen und du bist zur Tanke gefahren.«
Er lachte. »Ich möchte dich so gerne wieder sehen, ruf mich an, wenn es dir auch so geht. Und komm ja nicht auf die Idee, diesen Max statt deiner anrufen zu lassen.
Ach, und übrigens hat mich deine Freundin, äh, Bekannte Witta angerufen. Wir sind beide auf ihre Party eingeladen. Aber du weißt ja schon Bescheid und für den Fall, dass du dahin möchtest, habe ich auch zugesagt. Ich möchte auf keinen Fall die Gelegenheit verpassen, dich zu sehen. Bis später!«
So war das abgelaufen. Die Natter hatte Leander angerufen und vorgetäuscht, ich würde auch kommen. Woher wusste die, dass er sich tatsächlich für mich interessierte ?
Und der arme Kerl denkt sich, wenn ich da unbedingt hin will, geht er eben mit. Ich fühlte mich erleichtert, glücklich, doch gleichzeitig überkam mich Wut auf Witta. Vor allem, nachdem ich die restlichen fünf Anrufe abgehört hatte. Alle Nachrichten stammten, wer hätte es gedacht, von Witta.
Anruf 1:
»Hallo Pia, bei dir war gerade belegt, und jetzt bist du nicht da, hm, komisch. Ruf mich bitte umgehend zurück.«
Belegt, so, so, ja, da war ihr Leander wohl leider zuvorgekommen. Dumm aber auch.
Anruf 2:
»Pia, ich bin es noch mal, Witta. Du hast ja sicher schon von Katharina gehört, dass ich nächsten Samstag eine kleine Stehparty bei mir gebe. Du bist natürlich herzlich eingeladen und kannst auch gerne eine Begleitung mitbringen.
Ruf mich an. Adieu.«
Adieu, typisch Witta. Das hatte sie sich bei Katharina abgeguckt, mit dem kleinen Unterschied, dass Katharina Adieu sagen
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