Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klatschmohn

Klatschmohn

Titel: Klatschmohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
Vom Netzwerk:
sie ein anderes Schmerzempfinden hatte als ich, denn Marlene war am Rücken und den Fesseln tätowiert.

    Plötzlich ging die nette Dame in einen Bereich, den sonst nur mein Gynäkologe zu Gesicht bekommt, und ehe ich mich versah, hatte ich nicht nur warmes Wachs im Schambereich, sondern ruck, zuck Kahlschlag. Ja, das war wirklich überraschend schnell gegangen. Das war amerikanisch? Das war pervers!

    »Wie unterscheidet sich denn brasilianisch von amerikanisch?«, wagte ich nach der Tortur zu fragen.

    »Bei brasilianisch gibt es immer noch einen Landestreifen«, wurde ich aufgeklärt.

    Ich schaute auf die Uhr. Die Geschäfte waren noch gut zwei Stunden geöffnet und bis zu meiner Abendverabredung war massig Zeit. Kurzfristig war eine Einladung für die Verleihung des Film-und Fernsehpreises hereingeflattert.
    Da Lilli bereits verabredet war und ich für Ersatz sorgen musste, hatte ich Max überreden können, mich zu begleiten.

    Spontan entschloss ich mich shoppen zu gehen, was man nie in labiler Verfassung machen sollte, da man viel anfälliger für Heucheleien ist.

    »Nein, dieser Rock steht Ihnen ausgezeichnet. Mit Ihren Beinen können Sie einfach alles tragen!« Aber man ist auch viel schneller frustriert, wenn Frauen mit Modelmaßen sich lauthals beklagen, sie seien viel zu fett, um ein XS-Teil anzuziehen, während der Fummel um die perfekten Hüften baumelt und man selbst unauffällig Größe 38/40 zurückhängt.

    Am schlimmsten ist es, wenn sie zu zweit unterwegs sind. Eine ist immer essgestört und wirklich überzeugt, zu fett zu sein. Sie zeigt dann die knochigen Hüften als Corpus Delicti entsetzt vor. Traurig genug, doch die andere schafft es, die Essgestörte zu übertreffen, denn sie ist von der narzisstischen Sorte.

    Sie spielt das »Mann-sieh-mal-meinen-fetten-Hintern-an«- Theater mit, weiß jedoch genau, dass ihr Allerwertester locker für jede Biotherm-Werbung herhalten könnte und betreibt nur »fishing for compliments«. Hinzu kommt meistens eine exhibitionistische Ader, und so zieht sie sich gerne mal ein Oberteil in aller Öffentlichkeit über, anstatt in die Umkleide zu gehen.

    Nach diesen Begegnungen schwöre ich mir regelmäßig, wieder laufen zu gehen und mich an die aufgeschnappten Diättipps zu halten. Molke, Apfelessig, getrocknete Aprikosen, Artischockenkapseln.

    Heute wollte ich mich nicht herunterziehen lassen und beschloss, nur in Schuhgeschäfte und Parfümerien zu gehen. Wieder einmal war ich überrascht, wie unterschiedlich man bedient wird. In einem Geschäft kaufte ich gleich zwei Paar Schuhe, weil die Dame, die mich bediente, freundlich war und ihre Meinung offen äußerte.

    Im nächsten Geschäft fand ich die Sorte
    »Ich-bin-gelangweilt-Und-telefoniere-lieber-mit-meiner-Freundin,-die-in-der-Bout ique-nebenan-arbeitet-und-wehe-du-gedenkst-mich-zu-unterbrechen-oder-noch-sch limmer-etwas-zu-kaufen«.

    Leider hatten sie ein Paar Stiefel, das mir gefiel. Ich wagte es, sie für die passende Nummer ins Lager zu schicken.

    An der Kasse angelangt, rief besagte Freundin wieder an, und so bezahlte ich heimlich, still und leise, bedacht, nicht zu sehr zu stören, während die schnatternde Verkäuferin, den Hörer auf der einen Seite untergeklemmt, mir wilde Zeichen machte, wo ich zu unterschreiben hatte.

    Ich nahm meinen Karton in Empfang, flüsterte leise »Auf Wiedersehen«, was mit einem gnädigen Kopfnicken quittiert wurde, und stahl mich unauffällig aus dem Laden.

    Den Nachmittag verbrachte ich mit einem Orangen-Zimt-Bad, Sushi und dem Lebensratgeber von Dr. Cornelius.

    Ausgeruht und um viele Weisheiten klüger, machte ich mich für den Film-und Fernsehpreis zurecht. Um meinen ungewollten Kahlschlag hatten sich rote Pusteln gebildet, die zu jucken begannen.

    Na super! Das kommt sicher gut an, wenn ich mir auf der Verleihung immer wieder in den Schritt fassen muss oder von einem Fuß auf den anderen trete, ging es mir durch den Kopf.

    Ich schmierte Heilsalbe auf die wunden Stellen und fühlte mich so sexy wie drei Meter Feldweg. Max, der mich abholte, bemerkte nichts oder war nur zu rücksichtsvoll.

    »Wow, gut siehst du aus, Mohnhaupt!«

    Artig bedankte ich mich für das Kompliment und biss auf die Zähne, um dem aufkommenden Juckreiz nicht nachzugeben, und krampfte meine Hände deutlich zusammen, was Max natürlich bemerkte.

    »Mach dich mal locker, Mohnhaupt! Ist doch jetzt nicht deine erste Veranstaltung, oder?«

    Ich zog es vor, nicht darauf

Weitere Kostenlose Bücher