Klatschmohn
»Ach, das geht so schnell, du merkst gar nicht, wie die Kosmetikerin den Wachsstreifen wegzieht. Danach fühlst du dich so schön wie nie.«
Genau das brauchte ich, und so hatte ich meine erste Wachsbehandlung gebucht.
Der Tag begann, wie ich ihn mir ausgemalt hatte. Gut gelaunt und mit bestem Gewissen, endlich meinem Körper etwas Gutes getan zu haben, verließ ich den Yogakurs und machte mich auf den Weg zum Friseur. Er hieß Marian und war mehr Künstler als Friseur. Er arbeitete in dem angesagtesten Salon der Stadt, und auch die Preise waren angesagt.
Marian mochte mich gut leiden, und so zahlte ich nur die Hälfte. »Deine Unterhaltung macht es wett, und ich muss mir nicht noch von einer gelangweilten Arztgattin anhören, auf welche Vernissage sie morgen geht und dass sie die Töchter vom Ballett abholen muss. Die kennen sich alle untereinander. Und dann lästert die eine über die andere. Die wollen auch immer wissen, welche Naturfarbe die Frau So-und-so hat, denn wer am meisten aufhellen muss, hat verloren. Damit muss ich mich täglich herumschlagen. Soll ich dir die Haare wie immer schneiden?«
Ich überlegte kurz, ob ich meine Haare abschneiden sollte. Bisher hatte ich es so gehalten: nach einer Trennung - Haare ab, neuer Freund - Haare lang.
Vielleicht sollte ich mein Muster durchbrechen.
»Nicht zu kurz bitte«, bejahte ich und ließ mich auf dem Stuhl nieder. Das leise Summen der Föhne im Hintergrund beruhigte mich sofort.
Marians Assistentin wusch mir die Haare und massierte die Kopfhaut.
Trocken gerubbelt saß ich wenig später vor Marian, der mir sein Leid klagte. Es hatte sich nicht viel verändert seit dem letzten Mal.
»Die Witta war letzte Woche hier, bevor sie zu deinem Geburtstag ging. Die war vielleicht aufgekratzt!«
Mist, ich hatte vergessen, dass Witta auch zu Marian ging.
Aber sie musste den ganzen Preis zahlen. Ich zeigte mich interessiert.
Marian fuhr fort.
»Du, die hat so seltsame Andeutungen gemacht, es würde sich bald alles in ihrem Leben ändern. Aber sie könne noch nicht darüber sprechen. Weißt du, was sie damit meinte?«
Ich verneinte.
»Also ich glaube, das hat mit einem Mann zu tun, denn sie trug einen Verlobungsring, und als ich sie darauf ansprach, streifte sie ihn erschrocken vom Finger. Sie hat ja super Haare, die Witta, muss man schon sagen. Aber wie die sich anstellt, nur weil sie einzelne graue Strähnen entdeckt. Das liegt bei ihr in der Familie, die werden alle so schnell grau. Aber sie wird geradezu panisch. Ich sag dir, sie sitzt alle zwei Wochen hier, obwohl es gar nicht nötig wäre. Ein Vermögen haut die raus.« Marian schüttelte den Kopf.
Also hatte Leander den Ring für Witta gekauft. Damit war der letzte Funke Hoffnung erloschen. Und ich hatte die letzte Gewissheit, die ich brauchte.
Natürlich hatte mir die Bemerkung einen Stich versetzt und die Bilder, wie Leander und Witta den Ring bei Tiffany’s auswählten, während ich sie beobachtete und glaubte, er sei für mich bestimmt. Seltsamerweise hatte ich plötzlich den Gedanken, nicht mit Witta tauschen zu wollen, denn eine Beziehung auf einer solchen Lüge aufzubauen, konnte nichts Gutes verheißen. Ich war fest entschlossen, das Thema Witta und Leander nicht an mich heranzulassen. Heute war mein Tag.
Nach zwei Stunden sah ich aus, als ob ich einen neuen Haartrend einläuten könnte. Der Schnitt und die Strähnen standen mir richtig gut. Beflügelt machte ich mich auf in den Kosmetiksalon. Dort erwartete mich eine entspannende Massage.
»Sie sind sehr verspannt, Frau Mohnhaupt. Sie haben lauter Verhärtungen im Nacken. Hatten Sie Stress in letzter Zeit?«
Gute Frage! Wo sollte ich bloß anfangen zu erzählen?
Nach der Pediküre und Maniküre war ich bereit für die Enthaarung.
»Brasilianisch oder amerikanisch, Frau Mohnhaupt?«, fragte die freundliche Dame. Ich wollte mich nicht als Anfängerin outen und entschied mich für amerikanisch. Brasilianisch hörte sich exotischer an.
»Würden Sie sich bitte frei machen?«, bat mich meine Entwachserin.
»Die Unterhose bitte auch«.
Aha, ach so, wahrscheinlich für die Bikinizone. Recht hatte sie. Man musste ja das gute Höschen nicht beschmutzen.
Zuerst kamen die Beine dran. Das warme Wachs fühlte sich angenehm an, aber das Runterziehen war so fies, dass ich fast aufgegeben hätte. Ich dachte an Marlenes Worte und hielt durch. Sie musste eine masochistische Ader haben. Hätte ich mir auch denken können, dass
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